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Verlockung der Nacht

Verlockung der Nacht

Titel: Verlockung der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
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weil ihr wirklich an das Jenseits glaubt, oder um naiven Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen?«
    Chris wurde fuchsteufelswild. Die Wangen über seinem Bart färbten sich rosig, und er roch nach Wut. Aber ich achtete nicht darauf. Mich interessierten seine Gedanken.
    Hab es so satt, mich mit ignoranten Arschlöchern herumzuschlagen, die nicht über das hinausdenken können, was die Gesellschaft sie glauben machen will. Hätte nie zulassen sollen, dass Tyler sie heute Abend mitbringt; wir haben zu viel Arbeit.
    »Ich habe in Stanford Ingenieurwissenschaft studiert und kann mit sehr viel weniger Aufwand auf allen möglichen Gebieten mehr Geld verdienen«, gab er in festem Tonfall zurück. »Wenn das deine Frage nicht beantwortet, verschwendest du deine Zeit.«
    Befriedigung huschte an den Rändern meiner Wahrnehmung entlang. Ich hatte nicht damit gerechnet, auf jemanden zu treffen, der so klug war, so viel Leidenschaft für seine Arbeit mitbrachte und sich so für sein Team einsetzte. Vielleicht hatte Tyler mit seiner Empfehlung ja goldrichtig gelegen.
    »Denkt dran, auch ESP s aufzunehmen, und macht jede Menge Fotos im fünften«, rief Chris einer jungen Frau zu, die an uns vorbeieilen wollte.
    Ich warf einen Blick zum sechsten Stock, wo ich die meisten Schatten in den Fenstern gesehen hatte. In dem Gebäude gab es vor allen Dingen zu Gefühlen unfähige Geister; kurze, sich stetig wiederholende Bilder von Menschen, die schon lange tot waren, mit nicht mehr Verstand begabt als eine Reihe Aufnahmen auf einer Filmspule. Den Energielevels nach zu urteilen, die aus dem Gebäude drangen, beherbergte das Waverly Hills auch ein paar fühlende Geister, aber die hielten sich nicht an einem bestimmten Ort in dem riesigen Bauwerk auf. Im sechsten Stock hatte man die besten Chancen, Fotos von unerklärlichen Schatten zu schießen. Kein Schlagzeilenmaterial, aber wenigstens etwas Greifbares, das Chris und sein Team mit nach Hause nehmen konnten. Sie hatten das Sanatorium für die Nacht gemietet; da konnte ich ihnen auch helfen, für ihr Geld das Beste herauszuholen.
    »Versucht es lieber im sechsten«, riet ich. »Da habt ihr bestimmt mehr Glück.«
    Chris’ Augen wurden schmal. »Im fünften Stock sind bisher mehr Vorkommnisse verzeichnet worden«, entgegnete er.
    Ich lächelte höflich. »Im sechsten bekommt ihr handfesteres Material, aber hey, du bist der Chef.«
    Chris sah Tyler an, der bestätigend nickte. Bones verschränkte nur die Arme, seine kühle, abweisende Miene verriet nichts. Die junge Frau balancierte ihre Stativkamera auf der Hüfte, und ich musste nicht erst ihre Gedanken lesen, um zu wissen, dass sie schwer war. Chris warf mir einen letzten, nachdenklichen Blick zu, bevor er wieder etwas sagte.
    »Fang im sechsten an, Lexie.«
    Touristen sollten die Klappe halten , dachte Lexie, aber ihr »Klaro!« klang ebenso munter wie falsch. Ich war nicht beleidigt. Sie konnte Befehle befolgen und wusste, wann sie ihre Meinung für sich behalten sollte. Wieder wuchs mein Vertrauen in die Truppe.
    »Mir nach«, verkündete Chris nach einem gemessenen Schweigen. »Wir unterhalten uns bei der Arbeit.«
    Wir hatten den größten Teil des ersten Stockwerkes durchkämmt, als ich fertig war, Chris zu erklären, was wir suchten und warum. Er beschränkte seine verbalen Kommentare auf ein Minimum; aber aus seinen Gedanken wusste ich, dass er nicht recht glauben konnte, wer Kramer war, geschweige denn, welche Fähigkeiten der Inquisitor besaß. Genau wie Tyler gesagt hatte. Das war okay. Zwei fühlende – und redselige – Geister waren uns nicht gerade heimlich gefolgt, kaum dass wir die Pforte des Waverly Hills Sanatoriums durchschritten hatten. Ihren einander ähnelnden altertümlichen Outfits nach waren es ehemalige Patienten der Einrichtung. Ihren Kommentaren ließ sich entnehmen, dass sie seit ihrem Tod Besuchern gerne Streiche spielten, insbesondere Geisterforschern. Perfekt.
    Ich wartete, bis Chris vor etwas, das aussah wie ein großer, langer Tunnel, stehen blieb, bevor ich meinen Plan in die Tat umsetzte.
    »Du da, hinter dem Stützpfeiler, wie heißt du?«, fragte ich den Geist, der sich gerade ein paar Meter abseits versteckt hatte. »Ertappt« stand auf seinen durchsichtigen Zügen geschrieben, als er hervorkam und dabei den Saum seines langärmligen, hellen Pyjamas wrang.
    »Herbert.«
    »Mit wem redest du?«, fragte Chris, der in Richtung Gespenst schaute, aber niemanden erkennen konnte.
    »Mit einem ehemaligen

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