Verlockung der Nacht
Patienten von hier«, antwortete ich und dachte mir, dass der Geist viel zu jung und putzig aussah, um Herbert zu heißen. »Kannst du mir einen Gefallen tun, Herbert? Fliege durch den Körper des bärtigen Mannes. Nur durch den des Bärtigen.«
Herbert tat es ohne Zögern. Dexter ließ ein Bellen hören, als der Geist angeschossen kam, doch bevor Chris die Worte »Was soll das denn für ein Witz sein?« zu Ende gemurmelt hatte, tauchte der Geist in seinen Oberkörper ein und kam auf der anderen Seite wieder hervor.
Chris stand vollkommen still. Gedanken, beinahe so schnell, dass ich sie nicht lesen konnte, schossen ihm durch den Kopf. Ganz kalt im Bauch. Kribbelt, aber sie kann doch nicht allen Ernstes in der Lage sein, einem Geist zu befehlen , was er tun soll, oder? Niemals, verdammt.
»Komisches Gefühl im Magen? Ein bisschen eisig und zittrig vielleicht?«, fragte ich leise.
»Woher weißt du das?«, wollte er wissen.
»Ooh, das macht bestimmt Spaß!«, rief der zweite Geist, der jetzt aus seinem Versteck hinter den Deckenleitungen hervorkam und von rechts aus durch Chris’ Oberkörper fuhr. Wieder herrschte Chaos in Chris’ Kopf. Dexter bellte.
»Gerade hattest du wieder dieses eisige, prickelnde Gefühl in der rechten Schulter«, stellte ich sachlich fest. »In diesem Raum ist ein zweiter Geist, und er ist ziemlich verspielt. Aber wenn du mehr Beweise brauchst, dass das kein Zufall ist, kann ich ihnen befehlen, sie zu erbringen.«
Das »Nein« schallte durch Chris’ Gedanken, aber er schluckte nur schwer und nickte.
»Ja. Einen noch.«
Sein Mut war bewundernswert. Chris beschäftigte sich zwar seit Jahren mit der Erforschung paranormaler Phänomene und glaubte an Geister, aber ich wusste aus erster Hand, dass es eine verstörende Erfahrung war zu spüren, wie einem so ein Wesen durch den Körper fuhr.
»Herbert, noch einmal, bitte.«
Der Geist gehorchte, wobei er sich diesmal Chris’ linke Wade als Angriffspunkt aussuchte. Rasch folgte ihm sein Kumpel, der den gleichen Weg nahm. Beide Male erbebte Chris schaudernd, bevor der Blick seiner haselnussbraunen Augen dem meinen begegnete. Ich zuckte mit den Schultern.
»Du hast was im linken Unterschenkel gespürt. Zweimal, weil der Freund des Gespenstes es auch probieren wollte.«
»Wer seid ihr?«, wollte Chris leicht ungläubig wissen.
Bones legte mir den Arm um die Schultern und schenkte dem Ermittler ein träges Lächeln.
»Wir sind wohlhabend und unter Zeitdruck. Noch Fragen?«
Chris schluckte noch einmal, während sein Hirn sich mühte, das Erlebte zu verarbeiten. Was, wenn sie sich bezüglich dieses anderen Geistes und seiner Fähigkeiten doch nicht irrt? Es mag riskant sein, aber man kann zu viel dabei lernen, um abzulehnen.
»Eine Frage noch«, sagte er schließlich. »Wann soll mein Team anfangen, sich um das Problem zu kümmern?«
»Morgen«, antwortete Bones mit hochgezogenen Brauen, was deutlich machte, dass Einwände bei ihm zwecklos waren.
Chris räusperte sich, seine Unsicherheit wich sachlicher Gelassenheit. »Damit wir uns verstehen; ich weiß nicht, wie man einen Geist tötet. Ich glaube noch nicht mal, dass es überhaupt möglich ist. Was ich theoretisch weiß, ist, wie man einen einsperren kann, aber dafür müsst ihr mir jede Menge Kalkstein, natürlich fließendes Wasser, Quarz und Moissanit besorgen.«
»Kein Problem. Wenn ihr morgen anfangt, habt ihr alles, was ihr braucht«, antwortete Bones ohne Zögern.
»Wirklich?« Okay, ich wusste, dass Bones sich zuversichtlich jeder Herausforderung stellte, aber wir konnten das ganze Zeug ja schlecht heute Abend bei Walmart besorgen.
Er warf mir einen nachsichtigen Blick zu. »Wirklich, Kätzchen.«
Verwirrt starrte ich ihn an, bis mir ein Licht aufging. »Oh« , machte ich. Dann schenkte ich Chris ein Grinsen. »Gar kein Problem.«
10
Ich schirmte meine Augen vor dem grellen Licht der Grubenlampe an Chris’ Schutzhelm ab, als der Mann sich ruckartig zu mir umdrehte. Der Strahl war so hell, dass es fast wehtat, aber ohne das Licht wären Chris und sein Team in der Höhle vollkommen blind gewesen. Bones und ich brauchten keine künstliche Sehhilfe und kannten die Höhle ohnehin in- und auswendig. Immerhin hatte unsere Beziehung hier ihren Anfang genommen.
»Hier dürfte es genug Kalkstein und fließendes Wasser geben, und die fünfhundert Pfund Quarz und Moissanit werden nachher geliefert«, verkündete Bones und deutete mit einer Handbewegung auf das felsige Flussbett,
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