Verlockung
schwebte in einer völlig anderen Welt, nur durch die warme Berührung seiner Hand.
Viel zu schnell kamen wir am Kino an, das sich rein äußerlich kaum von einem aus Morbus unterschied. Wir betrachteten die Filmplakate.
„Welchen Film möchtest du sehen?“, wollte er wissen.
Ich sah mir prüfend die Aushänge an. Es gab einige Komödien, Actionfilme und auch einen Liebesfilm. Den wollte ich allerdings lieber nicht in seiner Anwesenheit sehen. Es würde ohnehin schon schwer genug werden, gegen seine Anziehungskraft anzukommen. Ein anderer Film stach mir besonders ins Auge. Es war ein Horrorfilm mit Namen „Todesschrei.“ Er sah vielversprechend aus, darum deutete ich darauf und sagte: „Wie wäre es mit dem?“
Überrascht blickte er mich an: „Bist du dir sicher?“
„Ja“, erklärte ich lächelnd.
Wir stellten uns an der Kasse an. Diese Gelegenheit nutzte ich, um meine Geldbörse heraus zu kramen. Ich bekam regelmäßig Geld von meiner Mutter, das ich mir im Sekretariat umtauschen ließ.
„Lass nur, ich zahle“, erklärte er schnell, als er sah, was ich vorhatte. Ohne Widerworte zu dulden, zahlte er die Karten und reichte mir eine davon.
„Willst du noch etwas zu essen oder zu trinken?“
Ich schüttelte den Kopf. Ich war viel zu nervös, um auch nur an Essen zu denken. Schnell hatten wir den Kinosaal und unsere Plätze gefunden. Auch hier deutete im Grunde nichts darauf hin, dass wir nicht in Morbus waren. Höchstens vielleicht, dass der Boden nicht klebte und nirgends auch nur ein Popcornkrümel zu finden war.
Es wurde dunkel und zu meiner Überraschung begann sofort der Film. Keine Werbung, keine Filmvorschau, das war schon mal ganz angenehm.
Die ersten Sekunden konnten mich jedoch nicht von meinen schwitzenden Händen und der Nervosität ablenken. Ich war ihm so nahe. Ein Teil meines Oberarms berührte den seinen, so dass ich seine angenehme Wärme spüren konnte. Es war, als würde eine unsichtbare Kraft an mir ziehen und mich in seine Nähe treiben, denn ich ertappte mich einige Male dabei, wie mein Körper in seine Richtung sank. Es war auch zu verführerisch. Immer wieder linste ich aus den Augenwinkeln zu ihm rüber. Sein Profil war atemberaubend. Wundervolle Augen, die selbst im Dunkel des Saals ihre tiefe Farbe nicht zu verlieren schienen. Die schön geschwungene Nase und die wundervollen Lippen, die einen geradezu einluden sie zu küssen. Er war überirdisch schön, geschaffen von Meisterhand.
Immer wieder musste ich mich mit Gewalt von ihm reißen und mich dazu zwingen auf die Leinwand zu sehen. Gerade wanderte eine junge Frau durch einen pechschwarzen Wald. Der Himmel war rabenschwarz und der Mond von einzelnen Wolken verhangen. Nebel kam auf und ich konnte die Kühle der Nacht geradezu spüren. Plötzlich schrak ich auf. Ich konnte sie tatsächlich spüren. Es war kalt. Eisig kalt. Zu meinem Entsetzen waberten die Nebelschwaden aus der Leinwand heraus und verteilten sich im Saal. Außer mir schien das niemand zu verwundern. Langsam wurde mir klar, dass dies wohl etwas war, das Kinos aus meiner Welt von der hiesigen unterschied. Ich atmete ein paar Mal tief durch, um mich wieder zu beruhigen. Die düstere Stimmung breitete sich auch in mir aus. Jeder Muskel spannte sich an, denn ich konnte die Gefahr regelrecht spüren. Dass sie nicht real war, spielte dabei keine Rolle. Es war, als wäre ich diese junge Frau. Als auch noch grollende Geräusche einsetzten, begann ich leicht zu zittern. Etwas war dort, das war klar. Nur was konnte das sein, das solche seltsamen Laute von sich gab? Plötzlich sah ich einen dunklen, bedrohlichen Schatten. Er kroch mit abgehackten Bewegungen am Boden entlang, direkt auf das Publikum zu. Er ließ sich aus der Leinwand fallen und verschwand unter den Sitzen. Während die Handlung im Film weiterging, sah ich mich mit ängstlichen Augen um. Da schrie ich auf. Etwas Eiskaltes, Festes hatte meinen Fuß berührt. Ich war aufgesprungen und kreischte noch immer. Einige hinter mir begannen zu lachen. Andere zischten, ich solle still sein. Night berührte meinen Arm und zog mich sacht an sich.
„Keine Angst, das gehört zum Film“, raunte er mir zu.
Ich lehnte mich in seinen Arm, spürte seine Nähe und lauschte seinem beruhigenden Herzschlag. Ich schloss die Augen und verging in dieser Berührung. Seine Wärme umfing mich schützend, so dass ich keinerlei Angst mehr verspürte; hinzu kamen seine Arme, die mich fest und sicher hielten. Mein Herz pulsierte
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