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Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn

Titel: Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Mang
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registriert wurde: Das hübsche Mädchen ließ sich mit siebzehn die Lippen aufspritzen. Das Resultat war unübersehbar. Plötzlich war in diversen Klatschmagazinen nur noch vom prallen Mund des Millionärstöchterchens die Rede – ihr Aufstieg zum deutschen It-Girl, dem das Nonsens-Internetportal Stupidedia nachhöhnte, dass ihr richtiger Name eigentlich Chiara Schlauch von Lippe sei. Zunächst stritt sie den Eingriff ab und erklärte ihr verändertes Aussehen so: »Ich habe eine neue Frisur, die lässt meine Lippen voller erscheinen, das macht vielleicht das helle Blond.«
    Schließlich sagte sie in einem Interview mit der Zeitschrift »In Touch«: »Ich war voll contra und gegen alles und wollte partout diese dicke Oberlippe, gegen den Willen meiner Mutter.« Eines Tages habe Mama Ute mit großer Skepsis ihr Einverständnis gegeben, das Resultat fand sie wohl fürchterlich. Doch Chiara war auf dem Schlauchboottrip. Sie habe, so verriet sie, einen Apotheker so lange bequatscht, bis der ihr eine Spritze mit Hyaluronsäure verkaufte. Mit der legte sie Hand an sich: »Vor dem Vergrößerungsspiegel im Badezimmer habe ich mir die Spritze dann selbst in die Oberlippe gejagt«, die sie sich vorher mit Betäubungscreme eingerieben habe. Warum macht sie so etwas? Und warum macht sie sich damit zum Gespött der Gesellschaft? Mittlerweile bezeichnet Chiara ihre OP als »Jugendsünde«, und ihr Mund ist auch nicht mehr das, was er mal war: Zu RTL sagte sie: »Ich habe einfach nicht mehr nachgespritzt, da sind die Lippen wieder schmaler geworden.«

Viele Kinder zwischen neun und vierzehn Jahren wünschen sich eine Schönheitsoperation
    Mal davon abgesehen, dass ich es traurig finde, wenn sich eine Siebzehnjährige Schlauchbootlippen spritzt, und noch trauriger, dass so was zum delikaten Societythema hochstilisiert wird, sollte man meinen: Schlimm genug, aber okay, ein Einzelfall! Doch dem ist leider nicht so. Laut einer Umfrage des Kinderbarometers der LBS-Initiative »Junge Familien« wünscht sich jedes fünfte Kind zwischen neun und vierzehn eine Schönheitsoperation. Bereits jetzt gibt es in Deutschland jährlich über 100 000 fragwürdige Eingriffe bei Kindern und Jugendlichen unter sechzehn, darunter so indiskutable Eingriffe wie Fettabsaugen bei Magersüchtigen. Da potenziert, nein, pervertiert sich der Schönheitswahn selbst. Und dass es obendrein Ärzte gibt, die Zwölf- und Dreizehnjährigen, die noch im Wachstum sind, Silikon-Implantate einsetzen, ist mehr als unverantwortlich. Es ist schlichtweg eine Schweinerei, die standes- und strafrechtliche Konsequenzen haben müsste! Da hilft es auch nicht, dass Jugendliche unter achtzehn für eine Schönheits-OP das Einverständnis ihrer Eltern brauchen. Was taugt eine solche Schutzmaßnahme, wenn bekannt ist, dass manche Eltern bereits ihren Säuglingen Löcher für Ohrringe stechen lassen.
    Da wir schon beim Thema Eltern sind – in den USA will der Schönheitschirurg Michael Salzhauer aus Bel Harbour in Florida die plastische Chirurgie Kindern schon im zartesten Alter näherbringen. Er hat eine Fibel verfasst mit dem Titel »My Beautiful Mommy« (»Meine schöne Mama«), um »Eltern, die durch diesen Prozess gehen, etwas an die Hand zu geben, damit sie es ihren Kindern erklären können«. Da werden Schönheitskorrekturen in den schönsten Farben beschrieben, und ein kleines Mädchen, dessen Mutter gerade aus einer Schönheitsklinik nach Hause kommt, ruft verzückt aus: »Du bist der schönste Schmetterling auf der Welt.« Das klingt verkitscht wie aus einem Hollywood-Drehbuch, und natürlich will die Kleine auch mal so ein schöner Schmetterling werden. Irgendein Arzt wird ihr schon behilflich sein.
    Selbstredend gibt es Ausnahmen, medizinische und psychologische
Indikationen. Wenn ein Kind nach einem Unfall entstellt ist, muss eine kosmetische Operation erlaubt sein. Ich selbst habe Marc-David Jung operiert, der 1988 bei der Flugshow-Katastrophe von Ramstein in der Pfalz als Vierjähriger schwerste Verbrennungen erlitten hatte. Und es gibt auch andere Eingriffe, die zwar nicht so einen dramatischen Hintergrund haben, aber psychologisch dennoch vertretbar und manchmal auch notwendig ist, etwa die Korrektur von extrem abstehenden Ohren, weil das Kind in der Schule und von Freunden gehänselt wird und sehr darunter leidet. Ich weiß auch um den psychischen Druck, wenn Jugendliche unter einem fliehenden Kinn, einer schiefen oder höckrigen Nase leiden. Ich habe solche

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