Verloren: House of Night 10 (German Edition)
seltsam vertrautes Gefühl, und automatisch drehte er den Kopf, und sein Blick suchte und fand Zoey. Ihre Augen begegneten sich. In den ihren standen Tränen. In einer Hand hielt sie die silbern brennende Kerze. Die andere hatte sie auf die Brust gepresst.
»Nicht weinen, Zo«, hörte er sich mit völlig normaler, menschlicher Stimme sagen. »Sonst läuft dir nur total die Nase.«
Dann sauste ein Windstoß in ihn hinein, und er keuchte auf – und lachte. Es fühlte sich an wie ein Mini-Tornado. Knisternd sprühte Feuer in ihm zum Leben, sofort gekühlt von perlendem Wasser. Und die Erde war ein duftendes Lavendelfeld, das Ruhe und Kraft ausströmte.
Aurox sah lachend auf sich herab. Die tödlichen gespaltenen Hufe hatten sich wieder in Hände und Füße verwandelt!
»Hey, verschieb den Triumphzug auf später! Freuen kannst du dich erst, wenn du so auch kämpfen kannst.« Und Stark rammte ihm die Faust ins Gesicht. Hart. Blut spritzte Aurox aus der Nase, und Schmerz überrollte ihn.
Er grunzte und erwiderte den Hieb. Er traf Stark seitlich am Kinn. »Ich kann kämpfen!«, brüllte er, während Stark zu Boden ging.
Die Bestie bebte in ihm, aber Aurox dachte nur an die Elemente. Im selben Maße, wie sie ihn stärkten, spürte er die Kreatur zurückweichen und schrumpfen.
Grinsend erwartete er Darius’ Angriff. Er wehrte den Hieb ab und traf dabei das Handgelenk des Kriegers so hart, dass diesem das Messer aus der Hand fiel und über den Boden schlitterte. Noch immer grinsend trat Aurox Darius die Beine unter dem Leib weg, und der Krieger setzte sich mit Schwung aufs Hinterteil.
Kalona war nicht so einfach zu überwinden. Er bewegte sich übermenschlich schnell, und nun, da Aurox nicht mehr über die Reflexe der Bestie verfügte, konnte er kaum ein Drittel seiner Schläge abwehren. Doch das spielte keine Rolle. Alles, was zählte, war, dass er weiter und weiter kämpfte und beharrlich ein Mensch blieb.
»Halt! Das reicht!«, rief Thanatos, gerade als Stark und Darius sich wieder zu Kalona gesellten. Die Krieger hielten inne – Aurox konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie es nur widerwillig taten.
Thanatos löste den Kreis auf. »Geist, Erde, Wasser, Feuer, Luft – ich danke euch allen für euer Kommen und eure Macht. Ihr dürft nun gehen. Frohes Treffen, frohes Scheiden und frohes Wiedersehen bis zum nächsten Mal!« Wie auf Kommando loderten alle Kerzen noch einmal auf und erloschen.
»Huh, es hat geklappt«, sagte Zoey in die Stille hinein.
Aurox wischte sich mit dem Hemdzipfel das Blut von Nase und Mund. Er dachte überhaupt nicht darüber nach, was er tat – er überließ sich einfach seinen Beinen, die ihn zu Zoey trugen. Dann nahmen seine Arme sie auf, sein Körper wirbelte sie herum, und seine Stimme rief: »Du hast’s geschafft! Es hat geklappt!«
Sie lachte auf, aber sobald er sie absetzte, wandte sie sich von ihm ab und trat zu Stark. »Ich hab’s nicht allein geschafft. Wir alle gemeinsam waren es.« Sie nahm Starks Hand und lächelte in die Runde, ohne Aurox weiter zu beachten. »Ihr wart alle genial.«
»Okay, gut, der Kreis hat gewirkt«, sagte Stark. »Aber wie hilft ihm das, wenn er Grandma aus Neferets Penthouse retten will? Neferet lässt euch da oben garantiert keinen Kreis beschwören.«
»Also, so weit hab ich noch nicht gedacht«, gestand Zoey.
»Müsst ihr Aurox sehen, um ihn mit euren Elementen zu stärken?«, fragte Kalona.
»Eigentlich nicht. Es wäre schwieriger, und ich weiß nicht, wie lange wir es aufrechterhalten könnten, aber im Prinzip können wir auch jemandem, den wir nicht sehen, unsere Elemente schicken.«
»Dann ist ein Schutzzauber wohl das beste Mittel«, sagte Thanatos nachdenklich. »Wir sollten uns um das Mayo Building herum aufstellen. Ich werde den Kreis beschwören, den Zauber sprechen und mit Hilfe von Salz binden. Solange der Geist als Zentrum sich innen im Gebäude befindet, sollte der Kreis stabil bleiben.«
»Die Lobby vom Mayo ist riesig, und es gibt dort eine Bar und ein Restaurant«, sagte Aphrodite. »Das Essen ist sogar ganz anständig, die Sektkarte auch, und es ist schummrig und romantisch.«
»Und das ist wichtig, weil?«, fragte Zoey.
»Weil du und ich uns dort hinsetzen können, irgendwo in eine Ecke. Ich kann einen guten Sekt trinken, und du kannst so tun, als studiertest du ein dickes langweiliges Lehrbuch, während du in Wirklichkeit dahinter eine nicht ganz so auffällige Mini-Version dieser lila Kerze anzündest
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