Verloren: House of Night 10 (German Edition)
respektvoll in die Hand wie eine noch nicht entschärfte Bombe. Ich wollte ihn in die Hosentasche stecken, aber Stark hielt mich auf.
»Nein, steck ihn nicht weg. Halt ihn hoch. Zeig damit auf Aurox. Und sag diesen Spruch noch mal.«
»Hä?« Jetzt klang ich nicht mehr so erwachsen und unerschütterlich und weise.
Wir alle starrten Aurox an. »Auf mich?«, fragte er verwirrt. Er sah total fertig aus. Seine Klamotten hingen in Fetzen, und er hatte überall Schrammen und Schnitte. »Warum auf mich?«
»Weil ich, als du Neferet aufgespießt hast, dein Spiegelbild gesehen habe«, sagte Stark. »Und das sollten alle sehen. Mach’s nochmal, Z.«
»Ich weiß nicht, ob der Zauber noch mal klappen wird«, sagte ich. »Das ist wieder so ein Alte-Magie-Ding. Seltsam und total unberechenbar.«
»Sprich den Zauber, u-we-tsi a-ge-hu-tsa «, bat Grandma.
»Ich hab aber –«
Stark reichte mir das zerknitterte lila Papier. »Doch, hast du.«
»Okay, von mir aus.« Ich hob den Seherstein und drehte ihn in Richtung Aurox. Noch bevor ich die Worte zu rezitieren begann, konnte ich spüren, wie er sich aufheizte.
»Zauberspiegel
Zeitenspiegel
Tief versteckt
Grauer Schleier
Lichter, freier
Wird geweckt
Nebel verwehen
Im Ruf der Feen
An ihrer statt
Wird eingefangen
Was lang vergangen –
Ich wende das Blatt!«
Meine Stimme war nicht mehr so machterfüllt wie beim ersten Mal, aber ich sprach klar und deutlich, und als ich fertig war, änderte der Seherstein wieder seine Form und wurde zu der spiegelnden Scheibe.
»Heilige Scheiße. Es ist wahr«, sagte Aphrodite. »Ich hab ja schon viel verrücktes Zeug gesehen, aber das hier toppt alles.«
Grandma hinkte auf Aurox zu. Berührte seine Wange. Er starrte mit Tränen in den Augen in den Spiegel. Dann sah er sie an.
»Ich wusste von Anfang an, dass es richtig war, an dich zu glauben, tsu-ka-nv-s-di-na «, sagte sie. »Danke, dass du mich gerettet hast, Kind.« Und sie beugte sich vor und gab ihm einen sanften Mama-Kuss auf die Wange.
»Schau in den Spiegel, Z«, sagte Stark.
»Nein.« Ich fühlte mich seltsam taub. »Ich weiß, wie Heath aussieht.« Aurox blickte wieder in den Spiegel. »Das ist also Heath?«
Stark seufzte. »Ja. Das ist Heath. Und das heißt, irgendwie bist du dann wohl ein Freund von mir.«
Aurox sah weiter sein Spiegelbild an, aber auf seinen Zügen erschien ein Lächeln. »Schön, dich wiederzutreffen.«
In seiner Stimme war etwas, was mich erzittern ließ.
Und dann sah Aurox mir in die Augen. »Und du? War Heath auch ein Freund von dir?«
Millionen von Antworten schossen mir durch den Kopf. Er war mein Problem – meine Nervensäge – mein ältester Freund – mein Geliebter – mein Gefährte – mein Fels in der Brandung.
»Er war meine Menschlichkeit«, kam schließlich aus meinem Mund. »Und jetzt scheint er zu deiner Menschlichkeit geworden zu sein.«
Ich ließ den Spiegel los. Bevor er auf dem Boden zerschellen konnte, ertönte ein kleines plopp , und er war wieder mein Seherstein. Diesmal steckte ich ihn wirklich in die Tasche.
Grandma trat zu mir, und ich legte wieder den Arm um sie. Stark nahm meine Hand, hob sie an die Lippen und küsste sie.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Egal, was los ist, wir haben unsere Liebe. Auf immer und ewig.«
ENDE
… vorerst …
Über P.C. Cast & Kristin Cast
P.C. Cast und Kristin Cast sind weltweit das erfolgreichste Mutter-Tochter-Autorengespann. Im Mittelpunkt der House-of-Night-Stories stehen vor allem die Lehrer aus dem House of Night in Tulsa. P.C.Cast lebt heute mit vielen Tieren auf einer Ranch in Oklahama. Kristin Cast studiert an der Universität von Oklahoma Kommunikationswissenschaften.
Impressum
Erschienen bei Fischer FJB, einem Unternehmen der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel »Hidden A House of Night Novel«
© 2012 by P.C.Cast and Kristin Cast
Dieses Werk wurde im Auftrag von St. Martin's Press LLC durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen, vermittelt.
Umschlagabbildung: Shutterstock
Umschlaginnenabbildung: © Herman Estevez und Shutterstock
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-402318-2
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