Verloren: House of Night 10 (German Edition)
blaue, wusste ich sofort, dass da vor uns nichts Gutes lag. Überhaupt nichts Gutes. Bevor ich meine Frage wiederholen konnte, holte Nicole ihr Handy aus der Tasche. »Ich mach ’n Foto mit Blitz, also passt auf eure Augen auf, aber dann siehst du’s besser.«
Sie hatte recht – im nächsten Moment blinzelte ich wie wild die Tränen und bunten Punkte vor meinen Augen weg. Kalona, dessen Augen weniger lichtanfällig waren als die von Vampyren, sagte ernst: »Ich weiß, wessen Werk das war. Könnt Ihr nicht den Nachklang ihrer Präsenz darin spüren?«
Meine Sicht klärte sich endlich, und obwohl Stark versuchte, mich zurückzuhalten, trat ich näher heran. Zu spät erkannte ich, was ich vor Augen hatte. »Shadowfax! Er ist tot!«
»Geopfert für ein finsteres Ritual«, sagte Thanatos.
»Und Guinevere auch«, fügte Nicole hinzu.
Mir kam alles hoch. »Dragons und Anastasias Katzen? Beide wurden umgebracht?«
Thanatos strich sanft über Shadowfax’ Fell und legte die Hand dann auf die viel kleinere Katze, die neben ihm lag. »Diese hier war nicht Teil des Rituals und ist keinen Opfertod gestorben. Es war die Trauer, die ihrem Leben ein Ende bereitete.« Die Hohepriesterin stand auf und sah Kalona an. »Ihr sagt, Ihr wisst, wessen Werk das war.«
»Ebenso wie Ihr. Es war Neferet. Der Kater des Kriegers war ein Preis, den sie zahlte. Sie gebietet über die Finsternis, aber der Zoll für deren Gehorsam sind Blut, Tod und Schmerz. Und diesen Zoll muss sie wieder und wieder entrichten. Die Finsternis ist unersättlich.« Er zeigte auf die Schrift. »Hier steht der Beweis.«
In dem düsteren Licht konnte ich jetzt zwar die beiden Katzenleichen gut erkennen, aber das Geschriebene war immer noch schwer auszumachen. Ich musste aber nicht fragen. Stark zog mich an sich und las es laut vor.
»Für diesen Preis aus Blut und Leben
erfülle das Gefäß mein Streben.«
»Gefäß – so nennt Neferet Aurox«, fügte Kalona hinzu.
»O große Göttin, das beweist nicht nur, dass dies Neferets Werk war.« Thanatos’ dunkler Blick suchte meinen. »Der Tod deiner Mutter war nicht einfach irgendein Opfer an die Finsternis. Er war der Preis, den sie forderte, um Neferets Kreatur – oder Gefäß – Aurox zu erschaffen.«
Meine Knie verwandelten sich in Gummi, und ich klammerte mich noch fester an Stark. Ich hatte das Gefühl, dass nur sein Arm mich noch davon abhielt, umzukippen.
»Ich hab’s doch gewusst, dass der verdammte Jungstier nichts Gutes bedeutet«, sagte Stark. »Und dass er nie im Leben ein Geschenk von Nyx war.«
»Im Gegenteil«, sagte Thanatos. »Er wurde von der Finsternis mittels Qual und Tod erschaffen, und Neferet kann ihn beherrschen.«
Unmöglich konnte ich ihnen sagen, was ich durch den Seherstein zu sehen geglaubt hatte. Wie auch, mit Starks Arm um mich, Dragons Tod so frisch in Erinnerung und jetzt auch noch im Angesicht dieser Grauenhaftigkeit mit den Katzen? Aber ich war so aufgerieben – so müde und gepeinigt und verwirrt, dass mir die Worte nur so aus dem Mund fielen, und alles, was ich noch tun konnte, war, wenigstens Heath’ Namen zurückzuhalten. »Aber an Aurox muss noch mehr dran sein! Wissen Sie nicht mehr, was er Sie in der Schule gefragt hat? Er wollte wissen, wer er ist – was er ist. Sie haben gesagt, das könne er für sich selbst entscheiden, und seine Vergangenheit müsse nicht seine Zukunft diktieren. Warum sollte ein Ding, das ganz aus Finsternis besteht und total von Neferet beherrscht wird, sich Gedanken um sich selbst machen?«
Sie nickte. »Da hast du recht. Ja, ich erinnere mich.« Ihr Blick schweifte wieder zu den beiden toten Katzen. »Vielleicht ist Aurox kein vollkommen leeres Gefäß. Vielleicht hat sein Umgang mit uns und insbesondere mit dir, Zoey, den Funken eines Selbst in ihm geweckt.«
Eine Woge von Gefühlen überrollte mich, so dass Stark mir einen erstaunten Blick zuwarf. »Dann stimmte es, was er sagte!«, rief ich. »Vorhin beim Ritual, bevor Aurox wegrannte, hat er gesagt: ›Ich habe mich doch anders entschieden! Ich habe mich anders entschieden.‹ Das hieß, er hatte Rephaim oder Dragon eigentlich nichts tun wollen, aber er konnte nicht anders, weil Neferet die Kontrolle über ihn hatte.«
Thanatos nickte bedächtig. »Das wäre eine Erklärung«, sagte sie langsam, als suchte sie verbal einen Weg durch einen Irrgarten. »Neferet musste Dragon Lankfords Vertrauten opfern, weil ihr die Kontrolle über ihr Gefäß entglitt. Wir alle haben
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