Verloren: House of Night 10 (German Edition)
miterlebt, wie Aurox zum Stierwesen, dann wieder zum Menschen und wieder zum Stier wurde – und da ergriff er die Flucht.«
»Ihr müsst doch auch gesehen haben, wie verwirrt er war, als er wieder zum Jungen geworden war und sah, was er mit Dragon gemacht hatte.«
»Das ändert aber nichts daran, dass er Dragon getötet hat«, sagte Stark. Ich spürte seine Anspannung, und ich war nicht glücklich darüber, dass sein Gesicht zu einer harten Maske geworden war.
»Und wenn er Dragon nur wegen dieser grausigen Opferung hier getötet hat?«, beharrte ich, in der Hoffnung, Stark würde kapieren, dass es vielleicht mehr als eine Antwort gab.
Stark nahm seinen Arm von meiner Schulter und löste sich ein Stück von mir. »Davon wird Dragon auch nicht wieder lebendig, Zoey.«
»Oder Aurox weniger gefährlich«, ergänzte Kalona.
»Aber vielleicht ist er keine so große Gefahr, wie wir zunächst glaubten«, sagte Thanatos sachlich. »Wenn Neferet jedes Mal, wenn sie sich seiner bedienen will, ein Opfer von solchen Ausmaßen bringen muss, dann wird sie sich sehr gut überlegen, wann und wie sie ihn einsetzt.«
Ich ließ nicht locker. »Er hat wieder und wieder gesagt, er habe sich anders entschieden.«
Stark schüttelte den Kopf. »Davon wird er nicht gut, Z.«
»Hey, Leute können sich ändern«, sagte da plötzlich Nicole. Wir alle starrten sie an. Offensichtlich war ich nicht die Einzige, die vergessen hatte, dass sie auch noch da war.
Es widerstrebte mir, ihr zuzustimmen, also kaute ich nur schweigend auf meiner Unterlippe und machte mir Gedanken.
»Aurox ist keine Person oder Mensch, egal, ob gut oder schlecht.« In der dunklen Sporthalle trommelte Kalonas Stimme wie Gewehrfeuer auf meine angeschlagenen Nerven. »Er ist ein Gefäß. Ein Wesen, das als Waffe für Neferet erschaffen wurde. Ob er ein Bewusstsein und die Fähigkeit, sich zu ändern, besitzt?« Er zuckte mit den Schultern. »Da können wir nur rätseln. Und spielt es denn eine Rolle? Ob ein Speer ein Bewusstsein hat oder nicht, macht keinen Unterschied. Entscheidend ist, wer den Speer in der Hand hält. Und Neferet hat zweifellos Aurox in der Hand.«
Ich baute mich vor ihm auf. »Wie lange weißt du das schon?« Stark starrte mich an, als benähme ich mich latent unzurechnungsfähig, aber ich konnte nicht anders. Auch wenn ich nicht wusste, wie ich es ihnen beibringen sollte – ich war immer noch sicher, dass ich durch den Seherstein Heath’ Seele in Aurox gesehen hatte. »Wenn du wusstest, was Aurox ist, warum hast du es uns nicht früher gesagt?«
»Niemand hat mich gefragt.«
All meine Wut, mein Frust und meine Ratlosigkeit wegen der Aurox/Heath-Sackgasse, in der ich steckte, entluden sich auf Kalona. »Blödsinn! Was weißt du sonst noch, was du uns nicht gesagt hast?«
»Was willst du denn wissen?«, erwiderte er, ohne zu zögern. »Sei aber vorsichtig, junge Priesterin, ob du die Antworten auf deine Fragen wirklich hören willst.«
Stark trat zwischen ihn und mich. »Sie wissen aber noch, dass Sie in unserem Team sind?«
»Ich weiß mehr, als dir bewusst ist, roter Vampyr.«
»Und was zum Teufel soll das heißen?«, gab Stark scharf zurück.
»Dass du auch nicht immer ein Engel warst!«, versetzte Nicole.
»Du mischst dich hier mal gar nicht ein!«, schrie ich sie an.
»Wieder streitet ihr untereinander!«, rief Thanatos. Die Leidenschaft in ihrem Ton ließ die Luft um uns erbeben. »Unsere Feindin hat Chaos über unser Heim gebracht. Sie hat nicht nur einmal, sondern wiederholt gemordet. Sie hat sich mit dem größten Übel verbündet, das diese Welt je kannte. Und dennoch giftet ihr einander an. Wenn wir uns nicht einig sein können, hat sie bereits gesiegt.«
Bekümmert schüttelte sie den Kopf und wandte sich den Leichen der beiden Katzen zu. Sie kniete sich daneben und strich noch einmal sanft mit der Hand über sie. Diesmal begann die Luft über den beiden zu schimmern, und glitzernd wurden die schemenhaften Gestalten von Shadowfax und Guinevere sichtbar – aber nicht die beiden erwachsenen Katzen, die still und kalt auf dem Sandboden lagen. Sie waren kleine Kätzchen, süße, tollpatschige Kätzchen. »Geht zur Göttin, meine Kleinen«, sagte Thanatos leise und zärtlich. »Nyx und jene, die euch am meisten lieben, warten auf euch.« Der kleine Shadowfax schlug mit einer weichen Pfote spielerisch nach Thanatos’ weitem Ärmel – und dann verschwanden die beiden Kätzchen in einer kleinen Glitzerexplosion. Ich
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