Verloren: House of Night 10 (German Edition)
Shaunee gingen gemeinsam davon. Erin verschwand in die entgegengesetzte Richtung.
»Sie sagten, es sei eine schwere Nacht gewesen. Was meinen Sie damit?«
»Da Sie ja sozusagen dicht am Puls der Zeit sitzen, wissen Sie sicherlich, dass es vergangene Nacht einen Brand auf dem Campus gab.«
»Ja, das haben wir bei Fox mitbekommen. Etwas mit Ihren Stallungen?«
»Ja, in der Tat. Ein unglückseliger, wenn auch nicht überraschender Zufall.« Thanatos deutete auf die großen kupfergefassten Laternen, die in all ihrer dekorativen Schönheit überall um uns herum erstrahlten. »Unsere Augen sind sehr empfindlich; Gas- oder Kerzenflammen sind für sie schonender als elektrisches Licht. Wie Sie bereits bemerkt haben, schaffen sie eine schöne Atmosphäre, aber offenes Feuer ist nun mal unberechenbar. Eine der Laternen in den Ställen wurde aus Versehen brennen gelassen, und ein Windstoß hat sie auf einen Heuballen geweht, so dass schnell der ganze Stall in Flammen stand.«
»Ich hoffe, es gab keine Verletzten.« Ich fand, Adam sah aufrichtig besorgt aus.
»Unsere Pferdeherrin und eine Jungvampyrin erlitten eine leichte Rauchvergiftung und unser menschlicher Stallmeister einige Verbrennungen, hauptsächlich an den Händen. Ich sollte dazu sagen, dass man unseren Travis Foster gut und gern als Helden bezeichnen kann. Er hat dafür gesorgt, dass all unsere Pferde entkommen konnten.«
»Travis Foster ist ein Mensch?«
»Ganz und gar. Außerdem ein geschätzter Mitarbeiter und Freund.«
»Faszinierend«, sagte Adam. Sein Blick wanderte über die Umgebung. An seinem Gesichtsausdruck sah ich, wann er den Scheiterhaufen in der Ferne erblickte, der inzwischen zu orangener Glut zusammengefallen war. »Bitte berichtigen Sie mich, wenn ich mich irre, aber dieser brennende Haufen dort gehört doch nicht zu den Ställen? In meinen Recherchen habe ich erfahren, dass Vampyre ihre Toten durch Feuer bestatten. Ist dies womöglich eine ungünstige Zeit für ein Interview?« Er stellte die Frage sehr höflich und taktvoll, aber ich sah, welche Neugier in seinen Augen brannte.
»Sie haben recht; dies sind die Überreste eines Scheiterhaufens. In der Tat hat das House of Night einen schweren Verlust erlitten, der allerdings nichts mit dem Stallbrand zu tun hatte. Unser Schwertmeister Dragon Lankford wurde kürzlich durch einen tragischen Unfall auf einer Lavendelfarm getötet, die an den Naturpark der Tall Grass Prairie grenzt.« Ich schloss den Mund und fragte mich, wie Thanatos den Mord an Dragon in einen ›tragischen Unfall‹ verwandeln wollte, der für die menschliche Öffentlichkeit begreifbar wäre. »Während einige von uns auf der Lavendelfarm ein wundervolles Reinigungsritual durchführten, brach ein großer männlicher Bison aus dem Naturpark aus. Unser Räucherwerk und unser Kreis müssen ihn wohl verwirrt haben. Das Tier griff uns an. Unser Schwertmeister beschützte unsere Jungvampyre und verlor dabei sein Leben.«
»Wie furchtbar! Das tut mir sehr leid.« Adam wirkte erschüttert. Ehrlich gesagt kam in uns allen wieder die Erschütterung hoch, was zum Glück unsere Entgeisterung über Thanatos’ himmelschreiende Lüge überspielte.
»Vielen Dank, Adam. Aber so schrecklich der Unfall und der Verlust für unser House of Night auch sind, unser Schwertmeister ist so gestorben, wie er gelebt hatte, als ehrenhafter Krieger, der unsere Jugend beschützte. Dank ihm kam niemand sonst zu Schaden, und sogar das Ritual konnte vollendet werden. An Dragon Lankfords Tapferkeit wird man sich noch in vielen Jahrhunderten erinnern.« Sie tupfte sich die Augen mit einem Spitzentaschentuch ab, das sie aus ihrem Ärmel gezogen hatte. Es war wirklich ein bewegender Moment. Während Adam mitfühlend dastand, schwenkte der Kameramann die Linse von Dragons Scheiterhaufen zu Thanatos und filmte ihre Trauer und ihre sehr menschlichen Bemühungen, die Fassung zu wahren.
Es war wirklich hervorragend inszeniert. Ich fragte mich, wie viel Schauspielunterricht die Hohepriesterin des Todes als Jungvampyrin gehabt hatte.
Thanatos steckte das Taschentuch wieder weg und tat einen tiefen Atemzug. »Um Ihre andere Frage zu beantworten – nein, dies ist keine ungünstige Zeit für unser Interview. Wir haben Sie doch eingeladen, erinnern Sie sich? Selbst zu einer so traurigen Zeit freuen wir uns, Sie hier am House of Night zu Gast zu haben. Also, lassen Sie uns nun offiziell beginnen. Wäre diese Bank ein guter Platz?« Sie zeigte auf eine der langen
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