Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
hübsch beleuchten.«
»Kemble, still.« Gareth wandte sich wieder an den Jungen. »Du musst jetzt runtersteigen, damit wir anderen dir folgen können.«
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Junge sicher den Boden erreicht hatte. »Kemble, jetzt Ihr«, befahl Gareth.
»Aber ich leide unter Höhenangst.« Kemble schwenkte einen Arm. »Mr. Talford? Die Leiter wartet auf Euch.«
Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als das Feuer in die erste der Kammern einbrach. Gareth wandte sich um und sah einen kleinen Feuerball unter dem alten Tisch hindurchrollen. Glas zersplitterte, vom Hof draußen erhob sich ein Aufschrei.
»Jetzt ist noch ein Fenster explodiert«, stellte Kemble grimmig fest. »Es wird einen gewaltigen Luftzug geben. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Talford hatte das Ende der Leiter fast erreicht. Gareth nahm den nächsten Stalljungen am Arm, einen großen Burschen mit roter Nase und wässrigen Augen, der sich von den anderen ferngehalten hatte. »Kommt«, sagte Gareth, »Ihr seid jetzt an der Reihe.«
Der Junge wich zurück, zuckte zusammen. »Aber Ihr müsst als Nächster gehen, Euer Gnaden, ich werde der Letzte sein.«
»Die Hölle werdet Ihr tun«, sagte Gareth. »Geht. Sofort. Das ist ein Befehl.«
Der Junge kletterte aus dem Fenster, sah aber aus, als würde er sich jeden Moment erbrechen. Gareth beobachtete, wie er flink hinunterstieg. »Ihr seid der Nächste«, sagte er über die Schulter zu Kemble. »Und jetzt keinen von Euren verdammten theatralischen Auftritten.«
»Aber Ihr müsst vor mir gehen«, widersprach Kemble, während Gareth vom Fenster zurücktrat.
Nur ein kleines Stück von ihnen entfernt wurde Talfords Bett zusammen mit dem Teppich, auf dem es stand, von Flammen verschlungen.
»Bei Gott, Ihr werdet jetzt hinuntersteigen«, sagte Gareth. »Oder ich werde Euch hinunterwerfen, und Ihr werdet Euch dabei vermutlich Eure schöne Nase brechen – vielleicht sogar ein Bein, wenn man es recht bedenkt.«
Kembles Blick glitt über Gareth. »Das würdet Ihr Euch wünschen, nicht wahr?«, murmelte er. »Also gut, Lloyd, dann lasst eben Frikassee aus Euch machen.« Er schwang ein Bein über den Sims und stieg die Sprossen so anmutig hinunter, dass man glauben mochte, er hätte in seinem Leben nie etwas anderes getan.
»Euer Gnaden, bitte!«, drängte Coggins. »Ihr müsst jetzt wirklich herunterkommen!«
Gareth hatte schon ein Bein hinausgeschwungen. Gerade, als sein Fuß eine Sprosse fand und er sich noch am Sims festhielt, dröhnte ein Donnerschlag, der Selsdons Mauern erzittern und das Kutscherhaus spürbar erbeben ließ.
Bitte, Gott, bitte, betete Gareth, während er hinunterstieg, lass es einen Wolkenbruch geben.
»Euer Gnaden!« Coggins hielt die Hände wie zum Gebet gefaltet vor sich, als Gareth sich umwandte. »Oh, Gott sei Dank!«
Die Diener zogen die Leiter von der Mauer fort. Gareth überblickte die Schar der Männer. »Sind das alle?«, fragte er und nahm das feuchte Tuch von seinem Mund. »Oder wird noch jemand vermisst?«
Talford trat in dem Moment vor, als ein großer Regentropfen Gareth’ Stirn traf. »Alle meine Männer sind gerettet, Euer Gnaden«, sagte er. »Gott segne Euch beide.«
»Dann ist ja alles gut«, erwiderte Gareth. »Diejenigen, die krank sind, sollen sofort in die Küche gehen und einen Tee trinken. Die anderen gehen auf den vorderen Hof, um zu helfen.«
Alle liefen um die Gebäude herum, während ein heftiger Regen einsetzte, sodass die kleineren Feuer unter Qualm und Rauch erloschen. Auf dem Hof rief Mrs. Musbury noch immer ihre Befehle wie ein Sergeant Major, der Saum ihres Nachthemdes schleifte schmutzig über die Pflastersteine. Jemand hatte klugerweise alle Pferde auf die Weiden getrieben. Watson stand an der Seite des Hofes und betrachtete grimmig das Chaos.
»Gabriel!« Zu Gareth’ Schrecken löste sich Antonia aus der Menge und lief auf ihn zu. Sie sah klein und verängstigt aus. Unter ihrem schweren Wollumhang konnte man den Flanell ihres Nachthemdes und ein Paar blassrosafarbener Slipper erkennen. »Gott sei Dank!«, rief sie und flog auf ihn zu. »Gabriel!«
Gareth packte sie an den Schultern, und ein unerwartetes Glücksgefühl durchströmte ihn. »Antonia, was tust du hier draußen? Warum bist du nicht im Haus?«
»Ich konnte dich nicht finden!« Ein weiterer Donnerschlag ertönte. Sie zuckte zusammen, hielt aber weiterhin seine Arme umklammert. »Sie haben gesagt, du wärst ins Kutscherhaus gelaufen, also habe ich das
Weitere Kostenlose Bücher