Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
ein Stück weit vom Schreibtisch ab. »Vermutlich sprecht Ihr von Howell«, warf er ein. »Ein großer Bursche, ungefähr fünfzehn? Er liegt bereits seit zwei Tagen mit Fieber im Bett. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, was er getan haben könnte, um sich schuldig zu fühlen.«
Kemble schüttelte langsam den Kopf. »Es dürfte nicht darum gehen, was der Junge getan hat. Es könnte eher darum gehen, was er gehört oder gesehen hat.«
Gareth strich sich mit beiden schmutzigen Händen das Haar zurück. »Herrgott, ein weiteres Rätsel!«, sagte er. »Kemble, redet morgen mit dem Jungen und findet heraus, was er weiß.«
»Natürlich, Euer Gnaden«, sagte Kemble, und sein Ernst wich seinem Schalk. »Schließlich ist mein Haar versengt und mein bester Rock ruiniert worden. Dafür muss in der Tat jemand bezahlen.«
Gareth verschränkte die Arme vor der Brust und sah Kemble prüfend an. »Macht es Euch etwas aus, Eure Theorie mit uns zu teilen?«, fragte er. »Wer wird die Zeche bezahlen?«
Kemble legte den Kopf schief. »Ich bin mir nicht ganz sicher«, räumte er ein, »aber müsste ich wetten, so würde ich auf unseren alten Freund Mr. Metcaff setzen.«
Kapitel 17
G abriel presste sich mit dem Rücken gegen die feuchte Steinwand; sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er hörte nichts – nichts als das Rumpeln und Klappern vom Hafen. Fässer, die über Holzplanken gerollt wurden. Das Ächzen von Kränen. Den Lärm und die fremd klingenden Rufe von einer Werft. Sie hatten seine Spur verloren. Er war frei. Zitternd holte Gabriel tief Luft und wandte sich zur Ecke, zur Freiheit.
Er hörte die Stimme sofort. »He, da ist der kleine Bastard! Los, Ruiz, hinterher!«
Blitzschnell rannte Gabriel davon. Hinter ihm donnerten Schritte über die Pflastersteine, als er kreuz und quer durch die Straßen von Bridgetown flüchtete. Seine Lungen waren kurz vor dem Platzen. Als er auf eine dunkle Gasse vor sich zulaufen wollte, wurde die Tür einer Schenke aufgestoßen. Ein schlanker, dunkelhaariger Mann trat auf die Straße und packte Gabriel am Kragen, als wäre der federleicht.
»Na, wen haben wir denn da? Vielleicht einen kleinen Taschendieb?«
»B ... bitte, Sir.« Gabriel bebte vor Angst. »Lasst nicht zu, dass sie mich wieder mitnehmen. Bitte.«
Die drei Seeleute standen jetzt nahe der Tür und rangen um Luft. »Danke, Sir«, sagte Creavy. »Der Junge ist uns am Hafen durchs Netz gegangen.«
Der Griff des Fremden blieb eisern. »Und was ist der Name Eures Schiffes?«
Creavy zögerte. » Saint-Nazaire . Warum?«
»Nicht alle Kapitäne sind ehrenwert«, erklärte der dunkelhaarige Mann. »Welcher Art ist Euer Interesse an dem Jungen?«
»Nun, er hat sich auf unserem Schiff als Arbeitskraft verdingt, Sir«, entgegnete Creavy und klang dabei fast so, als verteidigte er sich. »Wir haben das Recht, ihn mitzunehmen.«
Der Mann schnaubte abfällig. »Der Junge ist Schuldknecht? Aber er ist ja noch nicht einmal alt genug, um sich zu rasieren!« Er sah Gabriel an. »Genau genommen sieht der Bursche meinem lang vermissten Cousin aus Shropshire schrecklich ähnlich. Ich glaube, ich werde ihn mit nach Hause nehmen.«
Creavy kniff drohend die Augen zusammen und trat einen Schritt näher.
Blitzschnell hatte der Fremde ein Messer gezogen – eine lange, bedrohlich aussehende Waffe, die er an seinem Oberschenkel getragen hatte. »Denk nicht mal daran.« Seine Stimme klang weich und ruhig. »Dort in der Schänke sitzt ein Dutzend Männer, die eine Hälfte davon meine Freunde – die andere Hälfte arbeitet für mich.«
»Aber ... aber der Junge gehört von Rechts wegen uns«, stieß Creavy hervor.
»Schön«, sagte der Dunkelhaarige, »dann geht jetzt und holt mir von Larchmont die Arbeitspapiere des Jungen. Ja, ich weiß alles über die Saint-Nazaire . Anschließend bringt ihr die Dokumente zu Neville Shipping, unten an der Careenage. Ich werde sie mir ansehen, und wenn ich damit fertig und zufriedengestellt bin, nun, dann werde ich Euch den Jungen überlassen. Ein fairer Deal, oder?«
Als die Männer davongingen, holte Gabriel tief Luft. Es klang wie ein Schluchzen. »Werden sie zurückkommen, Sir?«
Der dunkelhaarige Mann klopfte ihm auf die Schulter. »Eher friert die Hölle zu. Komm, Junge. Wir werden dich in Sicherheit bringen.«
Nachdem das letzte Feuernest zischend und qualmend erloschen war, kehrte Gareth ins Haus zurück. Er wählte den Weg durch den Küchenbereich, um sich zu überzeugen, dass niemand vom
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