Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
ihn, indem er ihm die Hand auf die Schulter legte. »Ich werde die Tür morgen einreißen lassen, Euer Gnaden, und sie verbrennen.«
Jemand tauchte mit einem schwarzen Regenschirm an Gareth’ Seite auf. »Heilige Muttergottes«, flüsterte Dr. Osborne mit Blick auf die Tür. »Dafür hat jemand den Strick verdient.«
Gareth wandte sich um und strich sich mit der schmutzigen Hand durch das nasse Haar. »Danke für Euer Kommen, Osborne«, sagte er. »Lasst uns ins Haus gehen und –«
Ein erneutes Donnergrollen unterbrach ihn, der Himmel öffnete seine Schleusen, und eine Sintflut setzte ein. Gareth legte dem Doktor die Hand auf den Arm. »Kommt mit! In Watsons Büro!«, rief er über das Rauschen des Regens hinweg, packte Mrs. Musbury am Arm und zog sie gegen ihren Willen mit sich.
»Alle anderen in die Küche!«, rief er. »Schnell, lauft!«
Die Dienstboten rannten um das Büro herum zur Küchentür, während Osborne und Watson Gareth und Mrs. Musbury in das Büro folgten. Kemble bildete die Nachhut. Coggins war verschwunden. Sie hatten das Büro kaum betreten, als ein Blitz den Himmel erhellte.
»Noch nie in meinem Leben war ich so froh über ein Gewitter«, sagte die Haushälterin und schüttelte das Regenwasser ab. »Euer Gnaden, Mr. Kemble: Ihr wart unglaublich mutig!«
»Wer von den Angestellten ist verletzt worden?«, fragte Gareth, während er von Mrs. Musbury zu Watson schaute. »Hat jemand Brandwunden davongetragen?«
»Edwards, der zweite Hausdiener, hat sich wahrscheinlich einen Finger gebrochen«, erwiderte Mrs. Musbury. »Ein Unfall beim Weitergeben der Eimer.«
»Nun, dann wird Edward Euer erster Patient sein«, wies Gareth den Doktor an. »Seht anschließend bitte nach allen anderen, die noch mit geschwollenen Mandeln zu tun haben. Ich fürchte, dass jeder von ihnen heute Nacht Rauch und Regen abbekommen hat.«
»Ja, das ist anzunehmen«, pflichtete Osborne ihm bei und warf einen prüfenden Blick in seine Tasche.
»Und dann schaut bitte auch noch nach Mrs. Musbury«, fuhr Gareth fort. »Sie hat es auf der Brust, und die Duchess hat mich schon einmal dafür gescholten, dass ich sie im Regen habe stehen lassen.«
Die Haushälterin warf ihm einen empörten Blick zu, bis Gareth ihr zuzwinkerte. Dann gestattete sie Osborne, sie ins Haupthaus zu führen.
Watson hatte sich auf seinen Schreibtisch gesetzt. Gareth fühlte sich schmutzig und erschöpft und ließ sich in einen Stuhl sinken. Ein dumpfes Schweigen breitete sich in dem kleinen Raum aus. Rußstreifen hatten sich auf Kembles hohem, wie üblich makellosem Kragen abgesetzt, ein Büschel seines Haars war angesengt. Armer Teufel. Dafür hatte er hier nicht angemustert.
»Maschinenstürmer, was?«, bemerkte Kemble skeptisch. »In diesem Fall wohl antisemitische Maschinenstürmer. Ich frage mich, wie viele von denen sich im Süden Englands wohl herumtreiben – mit roter Farbe und Zündhölzern.«
»Habt Ihr eine Theorie?«, fragte Gareth.
»Eine Theorie, ja, ganz richtig.« Lässig gegen Watsons Aktenschrank gelehnt, machte Kemble ein grimmiges Gesicht. »Aber eben auch nicht mehr als das.«
Watson setzte sich müde in seinen Schreibtischstuhl und schob die Hände tief in die Taschen seines Gehrocks. »Es wirkt fast so, als hätte derjenige, der für die Katastrophe verantwortlich ist, nicht widerstehen können, noch einen letzten, bösartigen Hieb auszuteilen«, sagte er. »Oder es waren doch Maschinenstürmer, auch wenn das eher unwahrscheinlich ist. Wir hatten das verdammte Ding bis jetzt ja noch gar nicht zum Einsatz gebracht und haben auch niemanden entlassen – und hatten es auch nicht vor. Alle Angestellten wissen das.«
»Ich weiß jedenfalls, was ich mir wünsche«, warf Kemble ein. Er ging zum Schreibtisch und stützte sich mit weit gespreizten Armen darauf. »Zehn Minuten allein mit dem letzten Stallknecht, den Ihr aus dem Fenster des Kutscherhauses geschoben habt.«
Gareth sah ihn überrascht an. »Mit dem Jungen mit der triefenden Nase? Aber warum?«
Kemble legte nachdenklich seine Stirn in Falten. »Der Junge sah ... schuldbewusst aus«, entgegnete er. »Er war krank, ja, aber es schien mehr als das zu sein. Hättet Ihr ihm nicht befohlen, aus dem Fenster zu steigen, ich bin mir nicht sicher, ob er nicht freiwillig verbrannt wäre. Und als Ihr alle in die Küche geschickt habt, ist er nicht mitgegangen, sondern hat sich in Musburys Eimerkette eingeordnet.«
»Verdammt«, sagte Gareth.
Watson rückte mit seinem Stuhl
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