Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
stammelte sie. »Mir wurde natürlich erzählt, dass Ihr einst hier gewohnt habt –«
»Ich habe nie hier gewohnt«, unterbrach er sie. »Ich habe nie in diesem Haus gewohnt.«
»Oh.« Sie wandte den Blick ab. »Ich habe es nie von innen gesehen. Knollwood, meine ich.«
»Es gibt dort auch nichts zu sehen«, erwiderte er scharf. »Mittlerweile muss es unbewohnbar sein. Schon vor zwanzig Jahren war das Dach undicht, und die Böden waren verrottet. Damals wurde nichts repariert. Der Keller war so feucht, dass auf seiner Treppe Schimmelpilze wuchsen.«
Bei den Worten zog die Duchess die Nase kraus und machte eine Grimasse. Sie ließ sie mädchenhaft aussehen – und Gareth musste unerklärlicherweise lachen. Nicht über sie, aber mit ihr. Für einen Moment vergaß er die kalten und elenden Nächte, die er in dem finsteren alten Haus verbracht hatte – und die Nächte, die er danach erlebt hatte.
»Eigentlich sieht es von außen recht hübsch aus«, sagte sie entschuldigend. »Wie eine kleine Burg aus einem Märchen.«
»Das liegt vermutlich an den Türmchen.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Von außen wirkt es tatsächlich sehr romantisch. Und wenn Ihr tatsächlich dort wohnen möchtet – und vergesst Cavendishs Willen –, dann können die erforderlichen Reparaturen natürlich durchgeführt werden. Der Besitz muss erhalten werden, und ich habe keine Zweifel daran, dass Selsdon Court sich das leisten kann.«
»Genau genommen seid Ihr jetzt einer der reichsten Männer Englands, Euer Gnaden.« Plötzlich wurde sie blass. »Das soll natürlich nicht heißen, dass Ihr es nicht vorher auch schon wart. Ich kann mir nicht anmaßen, über Eure Situation –«
Sie war rot geworden. »Was genau hat diese alte Dörrpflaume von Cavendish eigentlich erwartet, als er sich darangemacht hat, mich aufzuspüren?«, stieß Gareth hervor. »Einen schäbigen Betrüger? Einen Taschendieb? Einen Grabräuber vielleicht?«
Ihre Röte verstärkte sich. »Einen Hafenarbeiter, sagte er«, entgegnete sie, »oder einen Dockarbeiter. Ist das dasselbe?«
»Mehr oder weniger.« Gareth lächelte. »Es tut mir jetzt fast leid, dass ich nichts dergleichen war. Es hätte mir verdammt viel Spaß gemacht, ihn mit einem vor die Nase gehaltenen Taschentuch in den Docks herumstolpern zu sehen.«
Einen Augenblick lang sah sie aus, als würde sie lachen. Er merkte, dass er mit einer unerklärlichen Vorfreude darauf wartete, aber sie blieb stumm.
Er legte die Dokumente beiseite und stützte die Hände auf die Oberschenkel, als wollte er aufstehen. »Nun, im Moment können wir nicht mehr tun«, sagte er nachdenklich. »Um wie viel Uhr wird das Abendessen serviert?«
»Um halb sieben.« Plötzlich machte sie große Augen. »Zudem ist heute Montag, Euer Gnaden.«
»Und?«
»Sir Percy und Lady Ingham kommen für gewöhnlich am Montag zum Abendessen nach Selsdon; zusammen mit Dr. Osborne«, erklärte sie. »Eigentlich sind auch der Pfarrer und seine Frau dabei, aber sie sind nach Brighton gereist. Stört es Euch sehr?«
»Das tut es in der Tat«, erwiderte er. »Ich für meinen Teil würde jetzt auch lieber in Brighton sein.«
Die Duchess lächelte erneut heiter. »Ich meinte eigentlich Dr. Osborne«, erklärte sie. »Er ist unser Dorfarzt in Lower Addington. Und Sir Percy und seine Frau sind sehr nette Leute. Sie alle haben – nun, sie haben mir in dieser schrecklichen Zeit beigestanden.«
»Dann freue ich mich darauf, sie kennenzulernen«, sagte Gareth, während er sich erhob. Und es wird mir den zusätzlichen Segen einbringen, dachte er, zu vermeiden, eine weitere Stunde in Eurer Gesellschaft zu verbringen. Mit einem bewusst kühlen Lächeln bot er der Duchess seine Hand, als sie sich von ihrem Stuhl erhob.
An der Tür zögerte sie und wandte sich ihm zu. Ihre Miene war wieder traurig.
»Euer Gnaden?«
»Ja?«
»Ich weiß, es ist Euer erster Nachmittag auf Selsdon«, ihre Augen waren auf einen Punkt irgendwo hinter seiner Schulter gerichtet, »es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis Ihr ... nun, bis Euch Gerüchte zu Ohren kommen werden.«
»Gerüchte?« Er lächelte ein wenig bitter. »Ich denke, Selsdon kocht von ihnen schier über. Von welchen sprecht Ihr?«
Mit trübem Blick sah sie ihn an. »Es gibt einige Leute, die glauben, dass der Tod meines Mannes kein Unfall war. Es wird gemunkelt, dass ich vielleicht – nun, dass ich vielleicht unglücklich war in meiner Ehe.«
Die Worte, die ihr so emotionslos über die Lippen
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