Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
tun?«
Die Zofe tätschelte ihr das Knie. »Den Kopf nicht hängen lassen, Ma’am, wie die Lady, die Ihr seid. Lasst ihn das Schlimmste tun, Ihr seid aus zehnmal besserem Haus, als er es je hoffen könnte, zu sein.«
»Aber so einfach ist das nun auch wieder nicht«, flüsterte Antonia. »Nichts ist mehr einfach – und ich fürchte, daran wird sich nie mehr etwas ändern.«
Nellie drückte ihr die Hand, schwieg aber. Die Wahrheit war offensichtlich zu schmerzlich. Zudem war alles gesagt worden.
Kapitel 7
G abriel schaute aufmerksam seiner Großmutter zu, die vorsichtig die Falten aus den gestickten Kissenbezügen strich. »Die sind hübsch, Bubbe », sagte er. »Für wen sind sie?«
»Malka Weiss.« Seine Großmutter richtete sich auf, um ihre Handarbeit zu betrachten. »Morgen, Gabriel, auf dem Weg zur Synagoge, werde ich sie ihr geben. Es ist Malkas Bar Mitzwa.«
Gabriel zog die Stirn in Falten. »Was ist das, Bubbe ?«
»Das bedeutet, dass sie jetzt eine Frau ist«, sagte seine Großmutter. »Malka ist jetzt mündig und kann sogar heiraten, falls sie –«
»Heiraten?«, sagte Gabriel. »Die alte Malka mit ihren vorstehenden Zähnen?«
»Scht, tatellah », tadelte ihn die Großmutter. »Morgen ist ein besonderer Tag für sie. Ihre Mutter wird Mohnkuchen backen, und wir werden Malka küssen und ihr kleine Geschenke überreichen.«
Gabriel rieb seinen einen Schuh an dem anderen. » Bubbe «, sagte er zögernd, »darf ich auch in die Synagoge gehen?«
Seine Großmutter lächelte ein wenig traurig. »Nein, Gabriel.«
»Aber warum nicht?«
Seine Großmutter zögerte. »Das geht nicht«, sagte sie schließlich.
»Weil ich keiner von euch bin, nicht wahr?«, fragte er bockig. »Warum sprichst du es nicht einfach aus, Bubbe ? Ich bin kein richtiger Jude.«
»Gabriel, scht!« Seine Großmutter ließ sich auf ein Knie hinunter und schüttelte ihn leicht an der Schulter. »Du bist ein richtiger Jude«, flüsterte sie. »Hörst du, was ich sage? Aber ein Jude zu sein bedeutet mehr, als nur in eine Synagoge zu gehen. Du bist genauso jüdisch wie ich, tatellah – aber eines Tages wirst du in einer Welt leben, in der man niemals unvorsichtig darüber sprechen darf. Verstehst du das? Hast du mich verstanden?«
Gareth hatte die Straße nach Lower Addington zur Hälfte hinter sich gelassen, als er sein Pferd zügelte und wendete. Er nahm seinen Hut ab und schaute auf die Gebäude von Selsdon Court zurück, deren imposante Fassaden im hellen, fast flirrenden Licht des Nachmittags glänzten. Von seinem Standpunkt aus konnte er einerseits den Südturm sehen, der sich dramatisch über den Klippen erhob, andererseits in nördlicher Richtung den beeindruckenden Komplex der Ställe und der Werkstätten, die zusammen größer waren als das Dorf. Jener Teil Selsdons, der sich seinem Blick entzog, war ebenso prächtig und dehnte sich noch weiter aus. Gareth konnte noch immer nicht ganz begreifen, wie all das sein Eigen geworden war. Aber es war sein Besitz – und flüchtig fragte er sich, ob er in den Mauern Selsdons je einen Augenblick des Friedens erleben würde.
Ein Mann macht seinen eigenen Frieden , hatte sein Großvater gern gesagt. Die Worte enthielten einiges an Wahrheit. Gareth hatte die vergangenen drei Tage damit verbracht, sich mit dem zu arrangieren, was zwischen ihm und Antonia geschehen war, und versucht zu akzeptieren, dass er die Gründe dafür nie begreifen würde. Seit ihrer Auseinandersetzung hatten sie sich nur zum allabendlichen Dinner gesehen, das sie in stoischer Haltung durchgestanden hatten, indem sie sich verhalten hatten wie, nun, wie die Fremden, die sie waren.
Abrupt setzte Gareth seinen Hut wieder auf, wendete den feingliedrigen, hochbeinigen Braunen erneut und setzte seinen Weg fort. Als er das Dorf erreichte, hoffte er, den Doktor zu Hause anzutreffen. Mit Osborne zu reden könnte vielleicht ein erster kleiner Schritt sein, Frieden mit sich zu machen. Gareth war entschlossen herauszufinden, ob es eine medizinische Erklärung für Antonias vermeintlichen – und sehr selektiven – Anfall von Amnesie gab. Allerdings war ihm noch nicht ganz klar, wie er es anstellen sollte, von Dr. Osborne die Information zu erhalten.
Das Haus des Arztes lag am Ende der Straße, ungefähr eine Viertelmeile vom Dorfkern entfernt. Es war ein schönes Fachwerkhaus mit einer breiten, einladenden Tür, über die sich Weinreben rankten. Einige der Blätter hatten schon begonnen sich rötlich zu verfärben.
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