Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
er verlangt hatte. Dann war sie verloren und spürte nichts mehr als vollkommene Ganzheit und süße, herrliche Erleichterung. Sie fand zu sich zurück, war unfähig zu atmen und auch überrascht.
Sie war nicht dumm. Sie kannte Verlangen und ihren Körper – so hatte sie jedenfalls geglaubt. Aber das, was eben geschehen war, war so intensiv gewesen, dass es schon beunruhigend war.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie jetzt im Bett lagen. Gabriel war unter ihr zusammengesackt und lag jetzt auf dem Rücken.
»O Gott«, sagte sie atemlos. »Gabriel, so etwas kann doch nicht ... gut sein.«
Er hob den Kopf ein wenig und schaute sie an. »Das war ganz gewiss nicht meine beste Vorstellung«, sagte er.
Antonia starrte ihn einen Moment lang an. »Das ... war es nicht?«
Er lachte und ließ seinen Kopf wieder auf das Bett fallen. »Fünf Minuten sind eigentlich nicht meine Norm.« Wieder der selbstironische Sarkasmus. »Gott sei Dank bist du ein kleines Pulverfass, mein Liebes, sonst wärest du jetzt wahrscheinlich verdammt enttäuscht von mir.«
Ein Pulverfass. Das war ein Kompliment, dachte sie. Sie entspannte sich, ihre Brüste drückten sich flach auf seine feuchte Brust, seine Hitze und sein Geruch hüllten sie ein. Gabriel trug kein Parfüm und roch nach schlichter Seife und etwas Wundervollem. Etwas, das er selbst war.
»Aber du bist sehr gut«, murmelte sie, als ihr Kopf an seiner Schulter ruhte. »Und das weißt du auch, nicht wahr?«
Er lachte leise, der Ton hallte in seiner Brust wider. »Es wurde mir hin und wieder bereits gesagt, ja.«
Sie schloss die Augen. »Aber du bist viel mehr als nur das, Gabriel. Du ... hast mich auf eine Weise berührt, die ich nicht erklären kann. Zwischen uns gibt es etwas, etwas schier ... Metaphysisches.«
Er drückte einen Kuss auf ihre Schläfe. »Wir sind gut zusammen, Antonia«, sagte er ruhig. »Aber letztendlich ist es einfach nur Sex. Sag mir, dass du das verstehst, meine Liebe.«
Der Schlaf drohte, Antonia zu übermannen. »Ja, das weiß ich«, murmelte sie. »Es war nur Sex. Und es war nur noch dieses eine Mal.«
Aber die Worte schenkten Antonia keinen Frieden. Stattdessen konnte sie nur noch an ihr Versprechen denken. Nur noch dieses eine Mal. Sie hatte bereits begonnen ihre Worte zu bereuen.
Kapitel 10
D ie Kirche von St.George–in-the-East überragte als hohes weißes Gebäude alle anderen in seiner Umgebung. Der Glockenturm zeichnete sich grell gegen die Sonntagmorgensonne ab und warf seinen Schatten bis hin zur Cannon Street und genau über Gabriels Schuhspitzen.
»Ich mag sie nicht, Bubbe », flüsterte er und zerrte an ihrer Hand.
»Was soll dieses ›Ich mag sie nicht‹?«, tadelte seine Großmutter ihn. »Es ist eine Kirche, tatellah . Gottes Haus.«
»Aber nicht das von unserem Gott«, murrte er.
Sie drückte seine Hand. »Gabriel, mein Kind, du musst lernen, Teil von diesen Engländern zu sein. In ein paar Jahren bist du alt genug für deine Bar Mitzwa, hörst du?«
Argwöhnisch kniff er die Augen zusammen. »Aber bei den Engländern gibt es das nicht, Bubbe .«
»O doch, sie haben nur einen anderen Namen dafür: Firmung«, erwiderte sie. »Es war der größte Wunsch deiner Mutter, dass du gefirmt wirst.«
Gabriel zeichnete mit der Schuhspitze einen Riss im Bürgersteig nach und schwieg.
»Komm, tatellah », schmeichelte sie. »Geh die Treppe hinauf und setz dich nach hinten. Tue einfach das, was die anderen machen.«
Gabriel richtete den Blick wieder auf die Kirche. Menschen gingen an ihnen vorbei über den gepflasterten Weg, überall standen elegante Kutschen. »Und du kommst nicht mit hinein, Bubbe ?«
Seine Großmutter streichelte ihm die Wange. »Ich kann leider nicht, aber du musst es tun, tatellah . Ich habe es deiner Mutter versprochen – und sie deinem Vater.«
»Aber ich kann mich kaum noch an ihn erinnern!«
Seine Großmutter kniff ihn in die Wange. »Das ändert nichts daran«, sagte sie fest. »Er ist noch immer dein Vater, und du darfst ihn niemals enttäuschen.«
»Hmmm.« George Kemble schmatzte vernehmlich. »Euer Tee schmeckt wirklich exzellent, Mrs. Waters. Ein Oolong-Tee aus dem Norden der Provinz Fujian, nicht wahr?«
Nellie Waters sah ihn über den Tisch der Hauswirtschafterin hinweg misstrauisch an. »Er ist das, was noch in Musburys Teedose war«, erwiderte sie und erhob sich. Die Dienstboten nahmen ihren Tee jeden Nachmittag um drei Uhr im Untergeschoss des Hauses ein, aber die anderen waren bereits
Weitere Kostenlose Bücher