Verloren in deiner Sehnsucht: Roman (German Edition)
fertig und schon wieder an die Arbeit gegangen. »Dort, in der Kredenz. Ihr könnt selbst nachschauen, wenn es Euch so interessiert.«
Kemble wies mit einer leichten Handbewegung auf den Stuhl, von dem Nellie soeben aufgestanden war. »Setzt Euch für einen Moment, Mrs. Waters«, sagte er. »Ich habe noch so viel darüber zu lernen, wie ein herzoglicher Haushalt abläuft, und habe mich gefragt, ob ich dabei mit Eurer Hilfe rechnen darf.«
Ihr Misstrauen verschwand zwar nicht, aber Nellie nahm immerhin wieder Platz. »Da solltet Ihr besser Musbury fragen«, sagte sie. »Oder Coggins. Die beiden leiten das Personal.«
Kemble lächelte und schlug die Beine übereinander. »Ja, aber deshalb wissen sie auch nicht so viel über die täglichen Geschehnisse des Haushalts«, wandte er ein. »Über die intimen Details, die die persönlichen Diener fast zwangsläufig mitbekommen.«
»Ich weiß zwar nicht, was Ihr unter zwangsläufig versteht«, sagte Nellie Waters, »aber ich weiß, dass Ihr auf Klatsch aus seid. Ihr solltet mich nicht für eine dumme Närrin halten, Mr. Kemble.«
»Oh, aber nicht doch!«, widersprach Kemble. »Ihr seid keinesfalls eine Närrin. Genau deshalb habe ich ja auch Mrs. Musbury gebeten, uns nach dem Tee allein zu lassen.«
»Das ist alles schön und gut, trotzdem werde ich nicht über meine Herrin tratschen.« Auf der Stirn der Zofe hatten sich Sorgenfalten gebildet.
»Ganz richtig, denn wer würde Euch respektieren, wenn Ihr so etwas tätet, nicht wahr?« Kemble griff in seinen Rock und zog eine kleine silberne Flasche mit Ziselierungen aus der Tasche. Er hielt sie über Nellies Teetasse. »Eine kleine Stärkung gefällig?«
»Und ich werde mich auch nicht mit Alkohol bestechen lassen.«
»Gute Frau, das ist der feinste französische Armagnac diesseits von Algier.«
Nellie geriet sichtbar in Versuchung. »Also gut, ein kleiner Schluck kann ja nicht schaden.«
»Nicht im Geringsten«, bekräftigte Kemble und schenkte gehörig in die leere Tasse ein.
Nellie zog die Tasse zu sich heran. »Ich kenne Euren Typ, Sir«, sagte sie und roch am Weinbrand. »Ich weiß, dass Ihr bereits überall herumgeschnüffelt und alle möglichen Fragen gestellt habt. Und ich zweifle keine Minute lang daran, dass Ihr hergekommen seid, um nun auch mich auszuhorchen.«
Kemble setzte eine schuldbewusste Miene auf. »Du meine Güte, Euch kann man aber wirklich nichts vormachen, nicht wahr?«
Nellie entspannte sich und nahm einen ordentlichen Schluck aus ihrer Tasse. »Sagt einfach geradeheraus, was Ihr von mir wollt, Sir. Vielleicht werde ich Euch helfen, vielleicht aber auch nicht. Doch wenn Ihr hinterhältig etwas aus mir herauszukriegen versucht, dann wird das vergebene Liebesmüh sein.«
Sie hatte ihn überzeugt. »Nun, es ist Folgendes, Mrs. Waters«, erklärte Kemble, »der Duke ist beunruhigt über gewisse Gerüchte, die den Tod seines Cousins betreffen.«
Nellie zog die Augenbrauen zusammen. »Welche Art von Gerüchten?«
Kemble lächelte ein wenig angespannt. »Oh, ich denke, das wisst Ihr genau, Mrs. Waters«, entgegnete er. »Wie Ihr ja so richtig bemerkt habt, seid Ihr keine Närrin.«
»Aye, vermutlich meint Ihr die Gerüchte, dass er vergiftet worden ist«, sagte die Zofe. »Und vielleicht ist das sogar die Wahrheit, aber mir ist egal, was die Klatschmäuler im Dorf sagen, denn meine Lady hat nichts damit zu tun. Dazu ist sie gar nicht fähig, das arme Ding – und wenn sie einen Ehemann hätte vergiften wollen, dann ganz bestimmt nicht diesen.«
Kemble nickte wissend. »Ihr meint Lord Lambeth, nicht wahr?«, sagte er. »Nach allem, was ich gehört habe, hätte er es verdient gehabt.«
Nellie rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her. »Er hat sich selbst umgebracht, der verdammte Idiot«, sagte sie. »Er ist also Vergangenheit. Was wünscht Ihr sonst noch zu wissen?«
»Wer könnte den Tod des Dukes gewollt haben?«
»Herrgott, mit den Namen derjenigen könntet Ihr eine ganze Liste füllen!« Nellie verdrehte die Augen. »Vielleicht ja die Familien von den letzten beiden jungen Dingern, die er geheiratet hat. Auch ein bis zwei Diener kommen infrage. Und der Earl of Mitchley – mit dem hat er sich wegen irgendwelcher Grenzprobleme in den Haaren gehabt. Mr. Cavendish hat gesagt, dass die Sache im letzten Jahr sogar vor Gericht gegangen ist. Und der verstorbene Duke war noch immer wütend auf Laudrey, den hiesigen Friedensrichter, weil er ihm zum Tod seiner letzten Frau Fragen gestellt
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