Verloren unter 100 Freunden
diesen Spielen darstellt – einen Krieger und einen Herrscher der Welt –, besser als sein wirkliches Ego. Seine Handicaps liegen in der Realität; in den Spielen ist er ein Star.
Adam ist Single, ein aufstrebender Sänger und Songschreiber. Außerdem träumt er davon, ein Drehbuch zu schreiben. Um über die Runden zu kommen, leistet er technischen Support bei einer Versicherungsgesellschaft und kümmert sich am Wochenende um einen älteren Herrn. Keiner dieser beiden »realen Jobs« befriedigt ihn. Er hält sie kaum durch. Er sagt, in der Spannung seiner Spielwelten,
in die er bis zu fünfzehn Stunden hintereinander abtaucht, »rutschen« sie ihm »weg«. Adam bekommt wenig Schlaf, aber er denkt nicht daran, beim Spielen kürzer zu treten. Er braucht es unbedingt für sein Selbstwertgefühl, denn in diesen Welten fühlt er sich am entspanntesten und glücklichsten. Adam beschreibt einen Augenblick in Quake so: »Du gehst durch den Schatten, du kannst sehen – es liegt Schnee, du gehst durch eine schattige Landschaft, und dann trittst du hinaus ins Licht, und du kannst die Sonne sehen!«
In einer der Quake-Geschichten kämpfen die größten Krieger aller Zeiten zur Belustigung eines Volkes namens Vadrigar. Es ist ein Ego-Shooter-Spiel. Man selbst als Spieler ist das Gewehr. Adam bezeichnet es als »testosterongeladene Sache, bei der man andere mit verschiedenen Waffen in die Luft jagt, die man auf einem kleinen Plan findet«. Er erklärt, dass er Mann-gegen-Mann-Duelle haben kann, wenn er auf einem Computer-Netzwerk Quake spielt, oder auch in einer Gruppe Turniere austragen kann. Wenn er allein spielt, duelliert er sich mit Bots.
Jetzt spielt Adam allein. Aber früher machte es ihm Spaß, Quake in Gruppen zu spielen. Diese Spielfreunde, sagt er, »zählten am meisten« in seinem Leben. Und mit einer Frau namens Erin hat er eine Online-Version von Scrabble gespielt; sie wurde seine engste Freundin. Inzwischen hat er keinen Kontakt mehr mit Erin. Sie ist zu einem anderen Spiel gewechselt.
Adam denkt mit Wehmut an diese Zeit zurück. Er erinnert sich, dass die Gruppensitzungen im Büro anfingen. »Fünf oder sechs Jungs hingen am Server. Wir spielten in unseren Kabinen, wenn die Geschäftsleitung eine lange Besprechung hatte. … Solange der Notes-Server nicht explodierte, konnten wir aufeinander losballern und hatten eine Menge Spaß. Und das hat mich bei der Stange gehalten.« Nach einer Weile ging die Gruppe dazu über, bei den Leuten
zu Hause Turniere zu spielen. Da gab es dann auch etwas zu essen und zu trinken. Es war eine unkomplizierte Art, mit Leuten zusammen zu sein. Adam, der normalerweise schüchtern ist, sagt, das Spiel habe ihm Gesprächsstoff geliefert. »Es brauchte gar nichts wirklich Persönliches zu sein. Es konnte einfach bloß um das Spiel gehen.«
»Irgendjemand hatte zu Hause ein ordentliches Netzwerk, und wir nahmen unsere Computer mit, hängten sie dran, bestellten Pizza, Zwiebelsoße, einen Haufen Knabberzeugs und kistenweise Coca-Cola. Zum Spielen haben wir alles bei dem Typen im Keller aufgebaut, und dann haben wir vier oder fünf Stunden lang die Sau rausgelassen … haben rumgekreischt … Wir konnten alle beim Spielen richtig abhängen und dabei oder hinterher das Zeug einfahren, und das hat mächtig Laune gemacht.«
Irgendwann ging die Gruppe von den privaten Treffen dazu über, Konferenzräume in einem Hotel zu mieten, und jeder Teilnehmer steuerte fünfzig Dollar bei. Essen und gedämpftes Licht gehörten jetzt zu ihren Treffen, bei denen sie über neun oder zehn Stunden lange Quake-Marathonsitzungen veranstalteten. Adam sagt, dass niemand aus der Gruppe aufhören wollte: »Man macht immer weiter, wissen Sie? ›Ich muss unbedingt nochmal ran. Los, noch ’ne Runde! Pusten wir ihn weg.‹« Aber die Spiele zu Hause und in Hotels haben nicht sehr lange stattgefunden. Jetzt spielt Adam meist allein Quake, gegen den Computer, mit Robotern als Mitspieler. Er sagt, die Bots machten ihre Sache »großartig«. Man könne leicht vergessen, dass sie keine Menschen sind. Obwohl er sagt, es sei »ein größerer Egotrip« gewesen, mit Menschen als Gegner zu spielen, findet er die Bots »gut«. Sie haben unterschiedliche Persönlichkeiten. Sie verständigen sich durch Textzeilen, die echte Spielerunterhaltungen
simulieren – normalerweise flapsig und altklug. Tatsächlich findet Adam, dass die »Unterhaltungen mit den [menschlichen] Spielern sich um Dinge drehen, über die sich die
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