Verloren unter 100 Freunden
sich human fühlt, sind keine Menschen. Sein Wohlwollen richtet sich auf künstliche Intelligenzen. Adam hat nicht vergessen, dass die Bots Computerprogramme sind, aber im Spiel sieht er sie als Programme und als Menschen. Er legt dieselbe Sichtweise an den Tag, die wir beobachten, wenn sich Leute mit sozialen Robotern beschäftigen. Adam genießt die Dankbarkeit seiner (künstlichen) Untertanen. Die Tatsache, dass er sich gut um sie kümmert, lässt ihn zufrieden mit sich selbst sein. Das wiederum bewirkt, dass er sich in ihrer Schuld fühlt. Und das steigert sein Verbundenheitsgefühl. Das sind seine Bots, seine Leute, die keine sind. Er spricht voller Zärtlichkeit über sie.
Adam erzählt, wie schön es ist, wenn »da so ein kleiner Kerl« (ein Bot natürlich) auf ihn zugeht, der aus der Schlacht kommt und bereit ist, zu ihm überzulaufen. »Wenn erstmal einer überläuft«, sagt er, »dann kommen auch noch mehr.« Anders als im wirklichen Leben hat Vasallentreue im Spiel ihre eigene Musikuntermalung. Adam sagt: »Da ist dieser kleine Soundeffekt von einem Grüppchen
Stammesgenossen, ungefähr so: [Grummelgeräusche], und das hallt wider. Das ist voll irre.«
Im Wörterbuch steht, dass der Begriff »human« Mitgefühl und Wohlwollen beinhaltet. Adams Geschichte hat uns auf das Gebiet des Mitgefühls und Wohlwollens dem Unbelebten gegenüber gebracht. Das erinnert an die erste Regel des Tamagotchi-Leitfadens: Wir ernähren, was wir lieben, und lieben, was wir ernähren. Adam hat Geschöpfe, um die er sich kümmern muss, und die Ressourcen, es zu tun. Sie »wissen zu schätzen«, was er für sie tut. Er findet, das bringt seine besten Seiten zum Vorschein. Er will weiter Civilization spielen, damit er sich auch künftig als guter Mensch fühlen kann. In Civilization spielt Adam um Belohnungen, von denen er nicht glaubt, dass sie ihm auf irgendeinem anderen Weg zuteil werden.
Laboruntersuchungen deuten darauf hin, dass sich die Art, wie wir die Dinge in der Virtualität betrachten und angehen, auf unser Verhalten in der Realität auswirkt. 6 Ich fand das in einigen meiner Klinikstudien über Rollenspiele bestätigt. Das Experimentieren mit dem eigenen Verhalten in Online-Welten – zum Beispiel, dass ein schüchterner Mann übt, sich durchzusetzen – kann Menschen helfen, in der realen Welt ein größeres Repertoire von Verhaltensmöglichkeiten zu entwickeln. 7 In diesem Zusammenhang habe ich auch gesagt, dass virtuelle Erfahrung die größte Chance hat, therapeutisch zu wirken, wenn sie in einer therapeutischen Beziehung zum Thema wird. In Adams Fall gibt es keinen Hinweis darauf, dass seine Online-Vervollkommnung dazu führt, dass er sich in der Realität besser fühlt. Er sagt, er lasse andere Dinge »wegrutschen« – Erin, das Mädchen, das er beim Online-Scrabble gernhatte; seine Arbeit; seine Hoffnungen als Sänger, Songschreiber und Drehbuchautor. Nichts von alledem kann es mit seinen Lieblings-Simulationen aufnehmen, die er als vertraut und beruhigend beschreibt, als Orte, an
denen er das Gefühl hat, etwas »Besonderes« zu sein, meisterhaft und großmütig zugleich.
Der Erfolg im Spiel beschwichtigt Adams Unzufriedenheit mit sich selbst. Er sagt, das Spielen beruhige ihn, weil er dabei spüre, dass »ich etwas Neues erschaffe«. Aber das ist Schöpfung, wo bereits jemand war. Wie das Gitarrespielen in The Beatles: Bei Rock Band ist es nicht Schöpfung, sondern nur das Gefühl , etwas zu erschaffen. Das ist es, was Adam will. Er sagt, er fühle sich »weniger tatkräftig als je zuvor«. Die Spiele geben ihm das Gefühl, ein besseres Leben zu führen. Er kann abenteuerlustig und verspielt sein, weil die Spiele ihm »eine Aufmachung anbieten, die bereits etabliert ist, die man nicht neu zu erfinden braucht. Man erschafft etwas, während man drin ist, aber das Spiel versorgt einen schon mit der ganzen Grundausstattung, es ist schon vorhanden, ist eingerichtet, und man hat bloß diesen kleinen Bereich bekommen – es ist eine Illusion, eine Art Wunscherfüllung. Und man kann hingehen und es machen.« Und doch findet er in den Spielen etwas Animierendes und ganz Eigenes .
Adam bezeichnet seine Kreativität in Civilization als »gerade die richtige Menge Kreativität. Es geht nicht darum, wirklich etwas Neues erfinden zu müssen. Aber es fühlt sich neu an … Das ist eine sehr beruhigende Sache, dieses Sich-immer-Wiederholen, es ist wie ›Ich baue eine Stadt, au ja, ich baue eine Stadt‹.« Es ist
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