Verloren unter 100 Freunden
rechnen die Kinder es sich als ihren Verdienst an und werten jeden Erfolg als Beleg dafür, dass ihre Geduld Früchte getragen hat. Während unserer Studie ist die Leistung der Roboter suboptimal. Aber die Investitionen der Kinder – ihr Eifer, ihre Verbundenheit und ihr Stolz – machen die Sitzungen dennoch zu einem besonderen Erlebnis.
Deutlich wird dies in der Bindung, die Neela, elf, mit Cog eingeht. Als sie ihn zum ersten Mal sieht, ruft sie aus: »Oh, ist der süß!«, und dann erklärt sie: »Er hat so einen unschuldigen Blick und so ein sanftes Gesicht.« Nachdem sie dem Roboter beigebracht hat, eine Stoffraupe auf dem Arm zu balancieren, sagt sie: »Ich würde Cog niemals langweilig finden … Er ist nicht wie ein Spielzeug, denn einem Spielzeug kann man nichts beibringen; er ist eher
etwas, das Teil von einem selbst ist, etwas, das man liebhat, fast wie eine andere Person, wie ein Baby.« Als Cog den Arm hebt, fragt Neela: »Was denkt er wohl gerade?« Sie erkundigt sich: »Was möchtest du? Was gefällt dir?« Wenn Cog in seinen Aktionen langsamer wird – zum Beispiel, wenn er als Reaktion auf ihr Verhalten schwerfällig den Arm hebt –, führt Neela Cogs Schwierigkeiten nie auf eine mechanische Ursache zurück. Ihre Erklärungen sind immer psychologischer Art. Sie sagt, Cog erinnere sie an die »langsamen Kinder« in ihrer Klasse und sie findet das nicht so schlimm. »Er ist eben langsamer – er braucht eine Weile, bis er alles im Kopf hat.« Und sie möchte ihm helfen. »Ich möchte seine Freundin sein und ihm beim Lernen helfen … Auf manche Art wäre Cog besser als ein menschlicher Freund, denn er würde nie gemein zu mir sein.« (Dies ist die Elfjährigen-Version der Studentin, die sich einen Roboter-Partner wünschte.) Für Neela ist der stumme Cog einfach nur behindert. »Mit Cog zusammen zu sein ist wie mit einem blinden oder tauben Menschen zusammen zu sein, denn er war verwirrt und hat mich nicht richtig verstanden.« Tatsächlich sagt Neela, Cog könne sehr wohl »sehen« – nur eben während ihres Besuchs nicht sehr gut. Und so behandelt Neela den Roboter wie einen Menschen, der einen Anfall zeitweiliger Blindheit hat. »Ich habe ganz laut ›Hallo!‹ gesagt, weil ein Blinder alles mit den Ohren macht.« Neela hofft, dass Cog seine Probleme überwindet oder vielleicht »aus ihnen herauswächst … Er ist ja noch so jung«.
Neela ist vor kurzem aus Indien in die USA gekommen und hat Probleme, sich in der Schule einzufügen. Sie erzählt, dass eine Gruppe von Mädchen sie anfangs zu akzeptieren schien, sich dann aber über ihren Akzent lustig gemacht habe. »Die Mädchen sind falsch. Erst sagen sie, sie würden mich mögen, und dann tun sie es auf einmal nicht mehr. Sie wissen nicht, was sie wollen.« Cog stellt in dieser Hinsicht ein geringeres Risiko dar. Die Mädchen haben
sich später bei Neela entschuldigt, aber sie konnte die Entschuldigung nicht annehmen. In dieser Hinsicht wäre »Cog besser als ein menschlicher Freund, weil man ihm leichter verzeihen kann … Man kann ihm leichter verzeihen, weil er nicht begreift, was er tut.« Erinnern wir uns, dass Neela von Cog als »Teil von einem selbst … etwas, das man liebhat« spricht. Das ist Liebe, die vor Zurückweisung geschützt ist. Wie jedes Liebesobjekt wird der Roboter »Teil von einem selbst«. Aber für Neela besitzt Cog, anders als ein Mensch, nicht genug Unabhängigkeit, um sie verletzen zu können. Bei Neelas Gefühlen für Cog erkennt man, wie leicht ein Roboter ein Teilobjekt werden kann: Er erfüllt unsere emotionalen Bedürfnisse, weil wir ihn veranlassen können, uns das zu geben, was wir uns wünschen. Ist dies ein Objekt für die heutige Zeit? Falls ja, ist es kein Objekt, das uns beibringt, wie man mit anderen Menschen zusammenlebt.
Einige der Kinder nehmen, speziell mit Kismet, explizit die Rolle von Eltern oder Geschwistern ein. In beiden Rollen wird die Beziehung zu Kismet dazu benutzt, Spannungen innerhalb der Familie neu auszuleben, etwas, das wir bereits bei AIBO und dem My Real Baby beobachtet haben. Im Wettstreit um Kismets Aufmerksamkeit drohen Brüder einander mit Prügeln, Schwestern giften sich an. Und die Bemühungen, sich als Kismets Vater oder Mutter darzustellen, können ein Indiz dafür sein, was zu Hause vorgeht. Rain, zehn, lebt bei ihrer Mutter und leidet unter der Abwesenheit ihres Vaters. Sie erklärt, dass sie Kismet niemals verlassen würde: »Mein Vater wohnt nicht bei uns, er
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