Verlorene Eier

der Wand vorbei) und reiße genau eine Sekunde, bevor der Anrufbeantworter anspringt, den Hörer von der Gabel.
    Es ist Gerald. Daphne und ihr Begleiter könnten in einer Dreiviertelstunde bei mir sein. Sie bringen Sandkuchen und auch gern einen Doggenwelpen mit, falls ich interessiert sein sollte. Ich lehne das Doggen-Angebot dankend ab und frage, ob wir aus den fünfundvierzig Minuten vielleicht anderthalb Stunden machen könnten.
    Es gibt nicht viel, was ich tun kann, um das maskuline Flair aus meinem Haus zu vertreiben, doch die Atmosphäre könnte durchaus für mich sprechen, schließlich gelten Schriftsteller landläufig ohnehin als schrullig. Leider passt meine dezent-schicke Kleidung so gar nicht zu den fadenscheinigen Teppichen und abgewetzten Sesseln, aber da die liebe Daphne sowieso jenseits von Gut und Böse ist, wird es ihr mit etwas Glück vielleicht nicht auffallen.
    Ich schleppe Angelas Koffer ins Badezimmer, wo ich mein Gesicht einer ganz besonders sorgfältigen Rasur unterziehe.
    Wie immer beginnt es, sobald ich mir die Perücke aufgesetzt habe.
    Oh, hallo, Bill. Was für ein unerwartetes Vergnügen, wiederauferstehen zu dürfen. Ich hatte gedacht, für uns beide gebe es keine Fortsetzung mehr.
    Ja. Das dachte ich auch.
    Wie ich sehe, kannst du nicht mehr schreiben?
    Falsch. Du kannst nicht mehr schreiben.
    Faszinierender Ansatz. Wie dein exzentrischer Freund Mr Cutler sagt – man kann es sehen, wie man will, es bleibt trotzdem, was es ist.
    Okay. Wieso habe ich – du, wir oder wie auch immer – diese Blockade?
    Ich dachte, das liegt auf der Hand, mein Lieber. Du hast deine gesamte kreative Energie in das Vorhaben gesteckt, dir diese junge Frau zu angeln, auch wenn es noch so unmöglich war. Aber das wusstest du ja selber …
    Unmöglich …?
    Lass uns nicht wieder davon anfangen, Bill. Das haben wir doch x-mal durchgekaut. Reden wir lieber von etwas anderem. Hast du mich vielleicht ein bisschen vermisst?
    Vielleicht.
    Du weißt genau, was Keith dazu sagen würde. Nämlich, dass ich der Teil deines Selbst bin, der in der normalen Welt keinen Ausdruck findet.
    Keith ist ein Mann, der seine Freizeit damit zubringt, riesige Hühnerfilets im BH spazieren zu tragen. Das macht ihn nicht gerade zum kompetenten Ansprechpartner.
    Das mag sein. Aber vergessen wir nicht, dass Keith ein aufrechter britischer Patriot ist. Wer weiß, wie viele tapfere Taten er im Dienste unseres Landes schon absolviert hat. Und dir hat er definitiv aus der Patsche geholfen …
    Allerdings. Dafür bin ich ihm etwas schuldig. Wenn ich das nächste Mal in London bin, lade ich ihn ganz groß zum Essen ein.
    Hervorragende Idee. Ich bin sicher, er weiß die Geste zu schätzen. Vielleicht möchte er ja bei dieser Gelegenheit gern als Miss Du Maurier erscheinen. Und … avec moi dinieren.
    Ja, wahrscheinlich hast du recht.
    Wir würden dich sehr gern einladen, uns zu begleiten, Bill.
    Angela, meine Liebe. Es fällt mir schwer, dir das zu sagen, aber du solltest das hier als unseren letzten gemeinsamen Auftritt betrachten. Ich habe nämlich die Absicht, die wesentlichsten Teile deiner Garderobe morgen in die Altkleidersammlung zu geben …
    Sag sofort, dass du das nicht tun wirst!
    Und die Perücke gebe ich Keith zurück.
    Bill, bitte. Mach dich nicht über mich lustig.
    Die Rauchquarzkette behalte ich allerdings als Souvenir.
    Du meinst es tatsächlich ernst. Du bist ein Schwein.
    Angela, wir haben einiges zusammen erlebt, aber ich glaube, jetzt ist es genug. Das hier … ist irgendwie ungesund.
    Und wer schreibt meine Bücher? Deine Bücher? Unsere Bücher? Die Bücher?
    Derjenige, der sie immer geschrieben hat.
    Du?! Du leidest doch unter einer Schreibblockade. Dir fehlt die Inspiration. Du bist leer. Ausgelaugt. Und all das nur wegen dieser dummen Gans. Und mich beseitigst du eiskalt, weil du eifersüchtig bist. Weil sie mich lieber mochte als dich. Los, gib’s zu!
    Angela, das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Wir bekommen gleich Besuch.
    Was für ein elender Mistkerl du doch bist, Bill Greefe. Ich bin eindeutig das Beste an dir, und was tust du? Du wirfst es einfach weg!
    Bitte mach es doch nicht noch schwerer, als es sowieso schon ist.
    Du bist erbärmlich. Du solltest froh über deine weibliche Seite sein, sie mit offenen Armen empfangen, statt vor ihr davonzulaufen. Schließlich war deine kleine Freundin, Miss Glatt, Miss Lesley Ambrosine Glatt, nicht gerade beeindruckt von der Macho-Show, die du in Miami