Verlorene Eier
durchlebt.
»Keith, es … sie … Kiki, meine ich. Was soll ich sagen? Wahnsinn! Absolut brillant!«
Keith sieht mich mit halb geschlossenen Lidern an, und einen Moment mustert er mich so, als beginne er vor Wohlbehagen gleich zu schnurren. »Sie ist immerhin seit zwanzig Jahren in der Branche, Bill.«
»Die … äh …«
»Titten?«
Hammerdinger wäre wohl zutreffender. »Wie genau …?«
»Die sind echt klasse, was?«
»Sie sind riesig, Keith.«
Er lacht. Ein amüsiertes, glockenhelles Lachen, das man heutzutage nicht mehr allzu oft zu hören bekommt.
»Sie sind eine Sonderanfertigung. In Peterborough gibt es einen Mann, der sich darauf spezialisiert hat.«
»Aber man sieht gar keinen Übergang.«
»Es ist eine Art Brustgeschirr.« Es stellt sich heraus, dass das gesamte Dekolleté eine Fälschung ist. Es wurde auf Keiths Hautfarbe abgestimmt, wird unter dem breiten Glitzerkropfband befestigt und hat sogar ein paar Sommersprossen und den einen oder anderen Leberfleck.
»Ich ernte viele bewundernde Blicke dafür.«
»Das kann ich mir vorstellen. Männer sind doch die reinsten Straßenköter.«
»Wieso? Eine wohlgeformte Frau verdient schließlich Bewunderung.«
»Du zeigst dich so in aller Öffentlichkeit?« Augenblicklich bereue ich meine Worte. Kikis Lächeln fällt in sich zusammen. Enttäuschung macht sich auf ihren Zügen breit.
»Bill, ich genieße die Aufmerksamkeit, die ich als schöne Frau bekomme. Aber natürlich bin ich nicht immer so … provokant … angezogen wie jetzt. Trotzdem liebe ich es, bewundert zu werden. Wenn die Kellner im Restaurant um mich herumschwirren. Wenn mir Bauarbeiter hinterherpfeifen. Wenn mir Männer die Tür aufhalten oder in der U-Bahn aufstehen und mir ihren Platz anbieten.«
»In der U-Bahn?«
»Ein größeres Kompliment gibt es nicht. Dass man tatsächlich so gesehen wird. Als Frau.«
Das Ganze ist ziemlich verwirrend. Ich muss lernen, wie ich wie eine richtige Frau wirke, sonst kann ich die eine Million Dollar in den Wind schreiben. Leider kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es Spaß machen könnte, wohingegen es für Keith einen guten Teil des Reizes ausmacht. Diesen Aspekt am Transen-Dasein werde ich wohl nie nachvollziehen können – woraus die Befriedigung dabei besteht.
Ich deute auf seine üppige Kehrseite.
»Das ist die gepolsterte Unterwäsche. So etwas bekommt man bei einem Typen in Elephant and Castle.«
»Und die Stimme? Wie machst du das?«
»Ah, dafür ist einiges an Übung nötig. Aber ich werde dir die wichtigsten Kniffe beibringen.«
Keith/Kiki erläutert die wesentlichsten Unterschiede in der männlichen und weiblichen Stimmbildung. Die Stimme des Mannes schwingt hauptsächlich im Brustkasten, während es bei der Frau irgendwelche Hohlräume des Schädels sind. Das hängt mit den sogenannten »Artikulationsstellen« zusammen, die sich beim Mann vorwiegend im hinteren Rachenbereich, bei der Frau hingegen dichter bei den Zähnen befinden. Der Trick sei, so erklärt er/sie mir, die Stimme näher zu den Zähnen zu bekommen, damit sie weniger voll klingt. Frauen verfügen offenbar über eine präzisere Art der Artikulation und setzen beim Sprechen mehr die Lippen ein. Das kann man ganz einfach überprüfen, indem man weibliche und männliche Nachrichtensprecher beobachtet.
Und dann erklärt Keith/Kiki mir etwas ganz Einfaches. Etwas so Einfaches, dass man sich nur wundern kann, wieso man nicht von selbst draufgekommen ist.
Wenn Männer Betonung auf ein Wort legen wollen, sprechen sie ganz einfach LAUTER .
Frauen hingegen HEBEN die Stimme.
»Bei den Jungs ist die Lautstärke das A und O«, brüllt Keith. »Und bei den Mädels«, säuselt Kiki, »ist es die Tonlage.«
»Natürlich!«, erwidere ich staunend.
»Verstehen tut man es auf Anhieb, Bill, nur üben muss man es ein Leben lang.« Sie drängt mich, es einmal zu versuchen.
In dem Bemühen, meine Stimme »näher an die Zähne zu bringen«, komme ich ausgerechnet auf die Worte: »Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name.«
»Oh, das ist ja wunderbar. Aber an wen erinnerst du mich nur?«
»Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen«, fahre ich fort. Mir fällt auf, dass meine Stimme auf einmal viel elitärer und gediegener klingt.
»Sehr gut, das gefällt mir«, lobt Keith/Kiki.
Die Unterschiede in der Sprechweise von Männern und Frauen seien gewaltig, erklärt er/sie weiter, sowohl im Hinblick auf die Wortwahl als auch auf die
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