Verlorene Eier
Szenerie eine Weile auf sich hat wirken lassen.
Ich lächle – glaube ich zumindest – und nicke anmutig. (Kann man anmutig nicken? Ich versuche es zumindest.)
»Der Rhododendron blüht in diesem Jahr besonders schön. Haben Sie ihn schon gesehen?«
Er ist ein netter alter Mann mit leuchtend blauen Augen und einem von violetten Venen durchzogenen Gesicht, das nach Landleben und einer strengen Militärkarriere aussieht. Bill Greefe – den dieser nie und nimmer angesprochen hätte – hätte wahrscheinlich mit »Nö« – oder, wenn er ausnahmsweise in Plauderlaune gewesen wäre, mit »Nein, habe ich nicht« – geantwortet.
Angela hingegen erwidert: »Oh, ich glaube nicht, dass sie mir aufgefallen sind.« Und da er nicht sofort aufspringt und mir mit vor Zorn funkelnden Augen »Elender, verdorbener Perverser!« an den Kopf wirft, füge ich hinzu: »Wo findet man diese wunderbaren Sträucher denn, was glauben Sie?«
Hm. Ziemlich umständliche Formulierung, doch nach Keiths Vorgaben, mich um weibliche Indirektheit zu bemühen, liege ich genau richtig. (Ein Mann hätte schlicht »Wo stehen die Dinger?« gefragt.)
»Verdammt eindrucksvolle Hecke am Inner Circle. Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise.«
Ich habe keine Ahnung, was ich darauf erwidern soll, und so belasse ich es bei einem einfältigen Lächeln (das nach meinem Dafürhalten eher nach einem verklemmten Furz aussieht).
Er zieht eine Zeitung heraus und legt sie auf sein Knie. Dann seufzt er. »Der hier bereitet mir schon die ganze Zeit Kopfzerbrechen. Sieben waagerecht: Danke für den Stich, du haariges Vieh . Acht Buchstaben. Leer, A, leer, A, leer, leer, leer, L.« Er tippt mit einem silbernen Kugelschreiber auf das Blatt und starrt nachdenklich auf das Kreuzworträtsel.
Da ich während des Studiums mehr in irgendwelchen Cafés herumgesessen und Kreuzworträtsel gelöst habe, als mir irgendwelche Geschichtsvorlesungen anzuhören, kenne ich das Gefühl nur zu gut, krampfhaft nach der Lösung zu suchen, die einem beim besten Willen nicht einfallen will.
»Tarantel.«
»Natürlich! Kluges Mädchen!« Er füllt die Kästchen aus. »Wie von der Tarantel gestochen. Daher der Stich.« Er tippt sich mit dem Kugelschreiber gegen die Schläfe. »Diese Dinger sollen ja dafür sorgen, dass man hübsch auf Draht im Oberstübchen bleibt. Wer rastet, der rostet, heißt es ja immer.« Seine leuchtenden Augen tanzen unangenehm lange kreuz und quer über mein Gesicht. »Das Gehirn ist ja ein Muskel. Wussten Sie das?«
Männer und Frauen kommunizieren völlig unterschiedlich, hat Keith mir erklärt. Frauen neigen eher dazu, Blickkontakt herzustellen, als Männer. Männer hingegen labern endlos dahin, während sie in die Ferne schauen und ihr Gesprächspartner langsam, aber sicher dem Koma entgegendriftet. Auf diesen alten Schwerenöter scheint diese Theorie allerdings nicht zuzutreffen. Ich muss den Blick abwenden und einem Täuberich dabei zusehen, wie er sich vor der Dame seines Herzens in die Brust wirft, wichtigtuerisch das Gefieder sträubt und rhythmisch mit dem Schnabel auf die Erde einhackt.
»Meine Frau konnte all diese Dinge viel besser …« Er lässt seine Stimme verklingen. Als ich einen Blick in seine Richtung riskiere, sehe ich, dass auch er die Taubenbalz mit großem Interesse verfolgt.
Eine Zeitlang sitzen wir schweigend da – mir ist zwar nicht ganz klar, inwiefern der Schnabel hilfreich sein soll, aber wenn er meint … –, als er sich mir schließlich zuwendet. »Würde es einen internationalen Empörungsschrei auslösen, wenn ich Sie zu einer Tasse Tee einladen würde?«
Ich bin völlig von den Socken. »Ich glaube, ich bräuchte etwas Stärkeres.«
Was sagt man dazu? Noch nicht mal eine Stunde als Frau, und schon habe ich ein Rendezvous.
9
Ehrlich gesagt kann ich Colonel Mustard, wie ich ihn heimlich nenne, gut leiden. Ich habe zwar letztlich seine Einladung zum Tee ausgeschlagen, aber inzwischen hat er mir alles über seine Frau Marjorie erzählt. Die Gute hat offenbar nicht mehr alle Tassen im Schrank und erkennt ihn ebenso wenig wie ihren gemeinsamen Sohn. »Es ist eine Tragödie. Sie war geistig immer so rege und konnte das Kreuzworträtsel in der Times innerhalb einer Dreiviertelstunde lösen.« Colonel Mustard ist gar kein Excolonel, sondern war im Transport- und Versicherungswesen tätig, isst jeden Tag im Club zu Mittag und nimmt an »quietschfidelen« Tagen gern den Heimweg durch den Park. Er hat »für ein helles
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