Verlorene Illusionen (German Edition)
erinnerte sich an die Szene mit Lousteau im Luxembourg.
»Sein Treiber«, fuhr Blondet fort, »war ein gewisser Etienne Lousteau, ein Revolverjournalist, der in einer Zeitungsspalte nur ein Hundertsousstück erblickt und dessen ganze Politik darin besteht, an die Rückkehr Napoleons und, was mir noch dümmer scheint, an die Dankbarkelt und den Patriotismus der Herren von der Linken zu glauben. Wenn Lucien ein Rubempré sein will, müssen seine Neigungen aristokratisch sein, und als Journalist muß er für die Regierung sein, sonst wird er kein Rubempré und kein Generalsekretär.«
Der Diplomat schlug Lucien vor, mit ihm Whist zu spielen, und der junge Dichter erregte das größte Erstaunen, als er gestand, das Spiel nicht zu kennen.
»Lieber Freund,« sagte Rastignac ihm ins Ohr, »kommen Sie recht früh an dem Tage, wo Sie bei mir ein schlechtes Frühstück einnehmen sollen, ich werde Ihnen das Whist beibringen; Sie sind eine Schande für unsere königliche Stadt Angoulême, und ich wiederhole ein Wort Talleyrands, wenn ich Ihnen sage: Ihrer wartet ein sehr unglückliches Alter, wenn Sie dieses Spiel nicht kennen.«
Man meldete des Lupeaulx an, einen vortragenden Rat, der in Gunst stand und dem Ministerium allerlei geheime Dienste leistete; er war ein schlauer und ehrgeiziger Mann, der sich überall Zutritt verschaffte. Er grüßte Lucien, den er schon bei Frau du Val-Noble getroffen hatte, und sein Gruß schien so freundschaftlich zu sein, daß Lucien getäuscht werden mußte. Als dieser Mann, der sich als Politiker zu jedermanns Freund machte, damit niemand es zu etwas bringen konnte, ohne daß er es wußte, den jungen Journalisten in dieser Gesellschaft fand, leuchtete es ihm sofort ein, daß Lucien in der vornehmen Welt ebensoviel Erfolg erringen würde wie in der Literatur. Er sah in diesem Dichter einen Ehrgeizigen und überschüttete ihn mit so viel Beteuerungen seiner Freundschaft und seines Interesses, als ob sie alte Freunde wären, und täuschte so Lucien über den Wert seiner Versprechungen und seiner Reden. Des Lupeaulx hatte das Prinzip, die, die er verderben wollte, wenn er in ihnen Nebenbuhler fand, gründlich kennen zu lernen.
So wurde Lucien in der vornehmen Welt gut aufgenommen. Er begriff, was er dem Herzog von Rhétoré, dem Minister, Frau d'Espard, Frau von Montcornet schuldig war. Er plauderte mit all diesen Frauen ein paar Augenblicke, bevor er sich verabschiedete, und entfaltete die ganze Anmut seines Geistes für sie.
»Was für ein Geck!« sagte des Lupeaulx zur Marquise, als Lucien gegangen war.
»Er wird verderben, ehe er reif ist«, sagte Herr von Marsay lächelnd zur Marquise. »Sie müssen geheime Gründe haben, daß Sie ihm den Kopf so verdrehen.«
Lucien fand in seinem Wagen, der im Hof auf ihn wartete, Coralie vor. Er war von dieser Aufmerksamkeit gerührt und erzählte ihr die Ereignisse des Abends. Zu seinem großen Erstaunen billigte die Schauspielerin die neuen Ideen, die schon in seinem Kopfe spukten, und ermunterte ihn mit Entschiedenheit, ins Lager der Ministeriellen überzugehen.
»Bei den Liberalen hast du nichts Gutes zu erwarten, sie zetteln Verschwörungen an, sie haben den Herzog von Berry getötet. Werden sie die Regierung stürzen? Niemals! Durch sie bringst du es zu nichts, während du auf der andern Seite Graf von Rubempré wirst. Du kannst dich verdient machen, zum Pair von Frankreich ernannt werden, eine reiche Frau heiraten. Sei Ultra. Überdies gehört das zum guten Ton«, fügte sie hinzu und gebrauchte damit ein Wort, das für sie die entscheidende Begründung war. »Die Val-Noble, bei der ich zum Diner war, hat mir gesagt, daß Théodore Gaillard bestimmt sein kleines royalistisches Blatt, das er den ›Réveil‹ nennt, herausgeben wird, um den Bosheiten eures Blattes und des ›Miroir‹ etwas entgegenzustellen. Wenn man ihn hört, werden Herr von Villèle und seine Partei, bevor ein Jahr um ist, am Ministerium sein. Suche diesen Umschwung zu benutzen und verbinde dich mit ihnen, solange sie noch nichts sind; aber sage Etienne und deinen Freunden nichts; sie wären imstande, dir einen schlimmen Streich zu spielen.«
Acht Tage später fand sich Lucien bei Frau von Montcornet ein. Er war heftig bewegt, als er die Frau wiedersah, die er so sehr geliebt und die er mit seinen Bosheiten ins Herz getroffen hatte. Auch Louise war eine andere geworden. Sie hatte sich in das verwandelt, was sie ohne ihren Aufenthalt in der Provinz immer gewesen wäre:
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