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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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einsehen, daß er ungeschickt gewesen war, und nahm sich vor, es wieder gutzumachen. Er wandte sich Frau von Montcornet zu und sprach mit ihr über Blondet, wobei er das Verdienst dieses jungen Schriftstellers übertrieb. Er wurde von der Gräfin freundlich behandelt und auf ein Zeichen, das ihr Frau d'Espard gab, von ihr zu ihrem nächsten Gesellschaftsabend eingeladen, dabei fragte sie ihn, ob er Frau von Bargeton, die trotz ihrer Trauer da sein würde, nicht gern träfe: es handle sich nicht um eine große Gesellschaft, es wäre ihr kleiner Empfang, und man wäre unter Freunden.
    »Die Frau Marquise«, sagte Lucien, »behauptet, das ganze Unrecht sei auf meiner Seite; wäre es nicht an Ihrer Cousine, mit den Freundlichkeiten zu beginnen?«
    »Sorgen Sie dafür, daß die lächerlichen Angriffe, deren Zielscheibe sie ist und die sie noch dazu mit einem Manne kompromittieren, über den sie sich lustig macht, aufhören, und der Friede wird bald hergestellt sein. Sie haben geglaubt, sie hätte Sie schlecht behandelt, hat man mir gesagt; aber ich habe sie sehr traurig darüber gesehen, daß Sie sie verlassen haben. Ist es wahr, daß sie mit Ihnen und um Ihretwillen ihr Provinznest verlassen hat?«
    Lucien sah die Gräfin lächelnd an, wagte aber nicht, eine Antwort zu geben.
    »Wie konnten Sie Mißtrauen gegen eine Frau hegen, die solche Opfer für Sie gebracht hat! Und überdies hätten Sie eine Frau, die so schön und geistvoll ist, auch trotzdem noch lieben müssen. Frau von Bargeton liebt weniger Ihre Person als Ihre Talente. Glauben Sie mir, die Frauen lieben den Geist, ehe sie die Schönheit lieben«, sagte sie und blickte dabei Emile Blondet verstohlen an.
    Lucien lernte in diesem Ministerhotel den Unterschied zwischen der großen Welt und der Ausnahmswelt, in der er seit einiger Zeit lebte, kennen. Die Üppigkeit dieser beiden Welten war einander durchaus unähnlich, es gab keine Berührung zwischen ihnen. Die Höhe und die Einteilung der Zimmer in dieser Wohnung, die eine der reichsten im Faubourg Saint-Germain war, die alten Vergoldungen der Salons, die Pracht der Schmuckstücke, der gediegene Reichtum all der vielen Kleinigkeiten, all das war ihm fremd und neu; aber es lag in seiner Natur, sich an Luxus jeglicher Art sehr schnell zu gewöhnen, und so verbarg er sein Erstaunen. Seine Haltung war ebensoweit entfernt von Dreistigkeit und Geckenhaftigkeit wie von Demut und Unterwürfigkeit. Der Dichter hatte ein gutes Benehmen und gefiel denen, die nicht Grund hatten, ihm feindlich gesinnt zu sein wie die jungen Leute, die auf seine plötzliche Einführung in die vornehme Welt, seine Erfolge und seine Schönheit eifersüchtig waren. Als man vom Tisch aufstand, bot er der Marquise d'Espard den Arm, und sie nahm ihn an. Als Rastignac sah, wie Lucien von der Marquise ausgezeichnet wurde, trat er an ihn heran, erinnerte ihn, daß sie Landsleute seien, und sprach von ihrem ersten Zusammentreffen bei Frau du Val-Noble. Der junge Patrizier schien sich den großen Mann seiner Provinz verbinden zu wollen und lud ihn ein, bei ihm an einem Vormittag zu frühstücken; er erbot sich, Lucien dabei mit den jungen Modeherren bekannt zu machen. Lucien nahm gerne an.
    »Der liebe Blondet wird auch da sein«, sagte Rastignac.
    Der Minister trat zu der Gruppe, die aus dem Marquis von Ronquerolles, dem Herzog von Rhétoré, Herrn von Marsay, dem General von Montriveau, Rastignac und Lucien bestand.
    »Das freut mich sehr,« sagte er zu Lucien mit der deutschen Gutmütigkeit, unter der er seine furchtbare Schlauheit verbarg, »daß Sie mit der Marquise d'Espard Frieden geschlossen haben. Sie ist von Ihnen entzückt, und wir wissen alle,« sagte er und blickte dabei die Männer, die im Kreise herumstanden, an, »wie schwer es ist, ihr zu gefallen.«
    »Ja, aber sie betet den Geist an,« sagte Rastignac, »und mein berühmter Landsmann hat so viel davon, daß er ihn verkauft.«
    »Er wird bald merken, was für ein schlechtes Geschäft er damit macht,« sagte Blondet lebhaft; »er wird zu uns kommen, er wird bald einer der Unserigen sein.«
    Über dieses Thema sprach nun der ganze Chor der Umstehenden auf Lucien ein. Die ernsten Männer sprachen einige schwerwiegende Sätze im Tone von Despoten, die jungen Leute scherzten über die liberale Partei.
    »Ich zweifle nicht,« sagte Blondet, »er ist aufs Geratewohl zur Linken gekommen, wie er ebensogut zur Rechten hätte kommen können; aber er wird jetzt wählen.«
    Lucien mußte lachen; er

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