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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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erfüllen sie gerne, Sie verstehen doch? Er ist schön, er ist jung, er hätte diesen Haß in einem Strom von Liebe ertränkt, er wäre Graf von Rubempré geworden, sein Stockfisch hätte ihm eine Stelle im Haushalt des Königs und Sinekuren verschafft! Lucien wäre ein reizender Vorleser für Ludwig XVIII. Er hätte irgendwo Bibliothekar, ein amüsanter vortragender Rat, Direktor irgendwelcher Hofbelustigungen werden können. Der Narr hat die Gelegenheit verpaßt. Vielleicht ist es das, was man ihm nicht verzeiht. Er hat keine Bedingungen gestellt, er hat welche angenommen. An dem Tage, wo Lucien sich von dem Versprechen der Ordonnanz fangen ließ, hat der Baron Châtelet einen guten Tag gehabt. Coralie hat den Knaben zugrunde gerichtet. Hätte er nicht die Schauspielerin zur Geliebten gehabt, dann hätte er seinen alten Stockfisch wiederhaben wollen und hätte ihn bekommen.«
    »Also sind wir in der Lage, ihn abzutun«, sagte Finot.
    »Wodurch?« fragte des Lupeaulx, der sich durch diesen Dienst bei der Marquise d'Espard in Gunst setzen wollte, nachlässig.
    »Er hat einen Vertrag, der ihn zwingt, an dem Blättchen Lousteaus mitzuarbeiten; wir werden ihn um so leichter dazu bringen, Artikel zu liefern, da er keinen roten Heller hat. Wenn der Justizminister sich von einem boshaften Spottartikel getroffen fühlt und man ihm beweist, Lucien habe ihn verfaßt, wird er ihn für einen Menschen ansehen, der der Güte des Königs unwürdig ist. Damit dieser große Mann aus der Provinz noch ein bißchen den Kopf verliert, haben wir den Sturz Coralies vorbereitet: seine Geliebte wird ausgezischt werden und keine Rollen bekommen. Wenn erst die Ordonnanz ins Endlose vertagt ist, verspotten wir unser Opfer wegen seiner Aristokratenansprüche, sprechen von seiner Mutter, die Hebamme ist, und von seinem Vater, der Apotheker war. Luciens Mut sitzt nur auf der Haut. Er wird vernichtet sein, und wir schicken ihn hin, wo er hergekommen ist. Nathan hat durch Florentine zustande gebracht, daß ich den Sechstelanteil der Zeitschrift, den Matifat besaß, in die Hände bekam, ich habe den Anteil des Papierhändlers kaufen können, ich bin jetzt allein mit Dauriat; wir, Sie und ich, können uns verständigen, damit dieses Blatt sich dem Hof zur Verfügung stellt. Ich habe Florine und Nathan nur unter der Bedingung unterstützt, daß ich mein Sechstel wiederbekomme, sie haben es mir verkauft, ich muß ihnen dienen; aber zuvor wollte ich über Luciens Aussichten Gewißheit haben ...«
    »Sie verdienen Ihren Namen«, sagte des Lupeaulx lachend. »Aber ich liebe Menschen Ihrer Art ...«
    »Können Sie also Florine ein endgültiges Engagement verschaffen?« fragte Finot den vortragenden Rat.
    »Ja, aber schaffen Sie uns Lucien vom Halse, denn Rastignac und Marsay wollen seinen Namen nicht mehr hören.«
    »Da können Sie ruhig schlafen«, sagte Finot. »Nathan und Merlin werden immer Artikel haben, deren Aufnahme Gaillard versprochen hat; Lucien wird nicht eine Zeile unterbringen können, und wir schneiden ihm so den Unterhalt ab. Er wird nur das Blatt von Martainville haben, um sich und Coralie zu verteidigen: ein Blatt gegen alle, da ist kein Widerstand möglich.«
    »Ich werde Ihnen mitteilen, an welchen Stellen der Minister empfindlich ist; aber Sie müssen mir das Manuskript des Artikels liefern, zu dem Sie Lucien bringen«, erwiderte des Lupeaulx, der sich hütete, Finot zu sagen, daß die Ordonnanz Lucien nie im Ernst versprochen worden war.
    Des Lupeaulx verließ das Foyer. Finot trat wieder zu Lucien und setzte ihm in dem gutmütigen Ton, von dem sich so viele Menschen fangen lassen, auseinander, weshalb er nicht auf die Mitarbeit, die Lucien ihm schuldig war, verzichten könnte. Finot wies den Gedanken an einen Prozeß weit von sich, der die Hoffnungen, die sein Freund auf die royalistische Partei setzte, zerstören würde. Finot liebe die Männer, die stark genug wären, um kühn ihre Meinung zu ändern. Würden nicht Lucien und er sich noch oft im Leben treffen, könnten sie sich nicht noch tausend kleine Dienste erweisen? Lucien brauche einen sichern Mann in der liberalen Partei, um die Ministeriellen oder die Ultras angreifen zu lassen, die sich weigerten, ihm zu dienen.
    »Wenn man Sie zum besten hat, was wollen Sie dann tun?« sagte Finot schließlich.
    »Wenn irgendein Minister glaubt, er halte Sie an der Halfter Ihres Renegatentums fest, Sie nicht mehr fürchtet und Sie zurückweist, tut es dann nicht not, daß Sie ein paar

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