Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
erzählte ihm eine angebliche Anekdote, die, wie er sagte, in den Salons erzählt würde.
    Um seinen Spielverlust wieder zu ersetzen, fand Lucien trotz seiner Entkräftung Schwung, Jugendkraft und Witz und verfaßte dreißig Artikel von je zwei Spalten. Als er damit fertig war, ging Lucien zu Dauriat, wo er sicher war, Finot zu treffen, dem er die Artikel heimlich übergeben wollte; überdies fand er es nötig, den Buchhändler über die Nichtveröffentlichung der ›Margueriten‹ zu einer Erklärung zu bringen. Der Laden war gefüllt mit seinen Feinden. Als er eintrat, entstand ein völliges Schweigen, die Unterhaltungen stockten. Als Lucien sich so in den journalistischen Bann getan sah, fühlte er doppelten Mut in sich, und er sagte wie in der Allee des Luxembourg zu sich selbst: ›Ich werde siegen!‹
    Dauriat war weder gönnerhaft noch freundlich, er zeigte sich spöttisch und zog sich hinter sein Recht zurück: er würde die ›Margueriten‹ erscheinen lassen, wann er wollte, er wollte abwarten, bis Lucien sich eine Stellung geschaffen hätte, er hätte das unbeschränkte Eigentumsrecht erworben. Als Lucien einwendete, Dauriat wäre durch die Natur des Kontraktes und die Eigenschaft der Vertragschließenden verpflichtet, seine ›Margueriten‹ zu veröffentlichen, behauptete der Verleger das Gegenteil und sagte, daß er juristisch nicht zu einem Geschäft verpflichtet sein könnte, das er für schlecht hielte, er allein müßte über den günstigen Zeitpunkt entscheiden. Es gäbe übrigens eine Lösung, gegen die kein Gerichtshof der Welt etwas einwenden könnte: es stünde Lucien frei, die tausend Taler wiederzugeben, sein Werk wieder in Empfang zu nehmen und es von einem royalistischen Verleger herausbringen zu lassen.
    Lucien ging, er ärgerte sich mehr über den ruhigen Ton, den Dauriat angeschlagen hatte, als über sein aristokratisches Protzen bei ihrem ersten Zusammentreffen. Die ›Margueriten‹ sollten also ohne Zweifel erst in dem Augenblick veröffentlicht werden, in dem Lucien die Hilfstruppen einer mächtigen Clique für sich hatte oder von sich aus mächtig genug geworden war. Der Dichter ging langsam nach Hause; es war eine Mutlosigkeit über ihn gekommen, die ihn zum Selbstmord gebracht hätte, wenn die Tat dem Gedanken gefolgt wäre. Coralie lag blaß und leidend im Bett.
    »Eine Rolle, in der sie stirbt«, sagte Berenice zu Lucien, während er sich umkleidete, um in die Rue du Montblanc zu Fräulein des Touches zu gehen, die eine große Abendgesellschaft gab, in der er des Lupeaulx, Vignon, Blondet, die Marquise d'Espard und Frau von Bargeton treffen sollte.
    Der Abend fand zu Ehren von Conti, dem großen Komponisten, der eine der berühmtesten Stimmen besaß, und für die Cinti, die Pasta, Garcia, Levasseur und zwei oder drei berühmte Sängerinnen der Gesellschaft statt. Lucien schob sich langsam bis zu der Stelle, wo die Marquise, ihre Cousine und Frau von Montcornet saßen. Der unglückliche junge Mann nahm eine leichte, glückliche, zufriedene Miene an; er scherzte, zeigte sich wie in den Tagen seines Glanzes, es sollte nicht so scheinen, als ob er die Welt brauchte. Er verbreitete sich über die Dienste, die er der royalistischen Partei erwies, und führte zum Beweis dessen das haßerfüllte Geschrei an, das die Liberalen ausstießen.
    »Sie werden reichlich dafür belohnt werden, lieber Freund«, sagte Frau von Bargeton zu ihm und lächelte ihn holdselig an. »Gehen Sie übermorgen mit dem ›Reiher‹ und des Lupeaulx in das Kanzleramt. Sie finden dort Ihre Ordonnanz mit der Unterschrift des Königs. Der Justizminister trägt sie morgen ins Schloß; aber es findet Ministerrat statt, er wird spät zurückkommen; trotzdem werde ich, wenn ich das Resultat am Abend erfahre, zu Ihnen schicken. Wo wohnen Sie?«
    »Ich werde kommen«, antwortete Lucien, der sich schämte, zu gestehen, daß er in der Rue de la Lune wohnte.
    »Die Herzöge von Lenoncourt und Navarreins haben mit dem König von Ihnen gesprochen,« setzte die Marquise hinzu, »sie haben von Ihnen gerühmt, daß Sie eine der aufopferungsvollsten Naturen sind, die eine glänzende Belohnung verdienen, und daß Sie dann erst recht die Verfolgungen der liberalen Partei vergelten werden. Überdies wird der Name und der Titel der Rubempré, auf den Sie durch Ihre Mutter Anspruch haben, durch Sie berühmt werden. Der König hat am Abend Seiner Herrlichkeit gesagt, es sollte ihm eine Ordonnanz vorgelegt werden, kraft deren Herr

Weitere Kostenlose Bücher