Verlorene Illusionen (German Edition)
wie eine zweischneidige Waffe zur Verteidigung ebensowohl wie zum Angriff. Außerdem hat es das Gefällige an sich, daß ein Prozeß, wenn zwei Advokaten sich verständigen – und sie können sich verständigen, ohne zwei Worte miteinander sprechen zu müssen, sie verstehen sich schon durch die Prozeßmittel, die sie anwenden –, alsdann einem Krieg gleicht, wie ihn der erste Marschall von Biron führte, dem sein Sohn bei der Belagerung von Rouen ein Mittel vorgeschlagen hatte, wie man die Stadt in zwei Tagen nehmen könnte: »Du hast es wohl sehr eilig,« sagte er zu ihm, »dich aufs Land zurückzuziehen?« Zwei Generale können nach der Methode der österreichischen Generale, die der Hofrat niemals tadelt, daß sie eine gute Gelegenheit außer acht gelassen haben, weil sie ihre Soldaten schonen wollten, den Krieg verewigen und jede Entscheidung vermeiden. Cachan, Petit-Claud und Doublon benahmen sich noch besser als österreichische Generale, sie nahmen sich einen Österreicher des Altertums, Fabius Cunctator, zum Muster.
Petit-Claud, der boshaft wie ein Maulesel war, hatte bald alle Vorteile seiner Stellung herausgebracht. Sowie der große Cointet dafür gebürgt hatte, daß alle Kosten bezahlt wurden, nahm er sich vor, alle Listen anzuwenden und seinen Geist in den Augen des Papierfabrikanten glänzen zu lassen, indem er Zwischenfälle schuf, die Métivier Kosten verursachten. Aber zum Unglück für den Ruhm dieses jungen Figaro der Justiz muß der Historiker über das Gebiet seiner Taten eilig hinweggehen. Eine einzige Kostenrechnung wie die von Paris genügt ohne Zweifel für die Geschichte der Sitten unserer Zeit. Ahmen wir also den Stil der Bulletins der großen Armee nach; denn je kürzer der Bericht über die Taten Petit-Clauds ist, um so besser für das Verständnis der Erzählung wird diese ausschließlich juristische Seite ausfallen.
Zum dritten Juli war David vor das Handelsgericht in Angoulême geladen, es erging Versäumnisurteil; das Urteil wurde ihm am achten Juli zugestellt. Am zehnten teilte Doublon den gerichtlichen Zahlungsbefehl mit und versuchte am zwölften eine Pfändung, gegen die Petit-Claud Einspruch erhob, indem er Métivier nach vierzehn Tagen nochmals vorlud. Métivier seinerseits fand diese Zeit zu lang, lud die Gegenpartei unverzüglich zum nächsten Tag und erlangte am neunzehnten ein Urteil, das Séchard mit seinem Einspruch abwies. Dieses Urteil wurde sehr schnell am einundzwanzigsten zugestellt, am zweiundzwanzigsten erfolgte der Zahlungsbefehl, die Mitteilung des gewaltsamen Vorgehens am dreiundzwanzigsten und ein Pfändungsprotokoll am vierundzwanzigsten. Diese Pfändungswut wurde von Petit-Claud gezügelt, der Einspruch erhob und Berufung bei der höheren Instanz einlegte. Diese Berufung wurde am fünfzehnten Juli wiederholt, und Métivier wurde nach Poitiers geschleppt.
»So!« sagte Petit-Claud, »da bleiben wir nun eine Weile.«
Nachdem das Gewitter einmal nach Poitiers zu einem Advokaten des Appellationsgerichts, dem Petit-Claud seine Instruktionen gab, abgelenkt war, ließ dieser Verteidiger mit zwei Gesichtern David Séchard durch Frau Séchard auf Gütertrennung verklagen. Er setzte es durch, daß er das Urteil auf Gütertrennung schon am achtundzwanzigsten Juli erlangte, er rückte es in den ›Courrier de la Charente‹ ein, gab es vorschriftsmäßig bekannt, und am ersten August wurde von einem Notar eine Aufstellung des eingebrachten Vermögens der Frau Séchard gemacht, auf Grund deren ihr Mann ihr nur die kleine Summe von zehntausend Franken schuldig war, die der verliebte David ihr im Ehevertrag als Mitgift vorbehalten hatte und für deren Zahlung er ihr die Einrichtung seiner Druckerei und der gemeinsamen Wohnung abtrat. Während Petit-Claud die Habe des Haushalts so in Sicherheit brachte, verhalf er in Poitiers der Behauptung, auf die er seine Berufung gegründet hatte, zum Siege. Danach konnte David um so weniger für die Kosten haftbar sein, die in Paris in dem Verfahren gegen Lucien von Rubempré entstanden waren, als das Zivilgericht der Seine sie in seinem Urteil Métivier auferlegt hatte. Dieser Auffassung schloß sich der Gerichtshof an, und es erging ein Urteil, das die Verurteilung von Séchard jr. vor dem Handelsgericht von Angoulême bestätigte, aber eine Summe von sechshundert Franken von den Pariser Kosten abzog, die Métivier tragen mußte, und mit Rücksicht auf den Grund, der die Berufung Séchards motivierte, einen Teil der Kosten die
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