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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Anstrengungen eines Kampfes auszuruhen, der noch stärkere Helden ermatten könnte, als es Menschen der Poesie und der Träumerei sind.
    »Mit einem überaus politischen Gedanken, dem wir unsern Beifall zollen und den, wie man sagt, die Frau Gräfin du Châtelet zuerst gehabt hat, ist man darauf gekommen, unserm großen Dichter den Titel und Namen der berühmten Familie von Rubempré verleihen zu wollen, deren einzige Erbin Frau Chardon, seine Mutter, ist. So durch Talente und neuen Ruhm die alten Familien zu verjüngen, die nahe am Verlöschen sind, ist von seiten des unsterblichen Begründers der Charte ein neuer Beweis für seinen unaufhörlichen Wunsch, der in den Worten ausgedrückt ist: Einigkeit und Vergessen.«
    »Unser Dichter ist bei seiner Schwester, Frau Séchard, abgestiegen.«
    In der Rubrik der Lokalnachrichten aus Angoulême fanden sich noch die folgenden Nachrichten:
    »Unser Präfekt, der Herr Graf du Châtelet, der schon zum ordentlichen Kammerherrn Seiner Majestät ernannt worden ist, ist soeben wirklicher Staatsrat geworden.
    Gestern haben alle hohen Beamten dem Herrn Präfekten ihre Aufwartung gemacht.
    Die Frau Gräfin Sixtus du Châtelet empfängt alle Donnerstage.
    Der Maire von Escarbas, Herr von Nègrepelisse, der Repräsentant des jüngeren Zweiges der d'Espard, der Vater der Frau du Châtelet, der jüngst zum Grafen, zum Pair von Frankreich und zum Kommandeur des Königlichen Ordens vom heiligen Ludwig ernannt worden ist, soll dazu ausersehen sein, bei den nächsten Wahlen dem großen Wahlkollegium von Angoulême zu präsidieren.«
    »Hier, lies!« sagte Lucien zu seiner Schwester und reichte ihr das Zeitungsblatt.
    Eva las den Artikel aufmerksam und gab dann das Blatt Lucien mit nachdenklichem Gesicht zurück.
    »Was sagst du dazu?« fragte Lucien, der über ihre Zurückhaltung, die fast wie Kälte aussah, erstaunt war.
    »Mein Lieber,« antwortete sie, »diese Zeitung gehört den Cointet. Sie haben es völlig in der Hand, was für Artikel darin erscheinen, und nur von der Präfektur oder von der bischöflichen Kanzlei kann ein Druck auf sie ausgeübt werden. Hältst du deinen früheren Nebenbuhler, unsern jetzigen Präfekten, für so edelmütig, daß er dermaßen dein Lob singt? Vergißt du, daß die Cointet uns unter dem Namen Métivier den Prozeß machen und ohne Zweifel David dazu bringen wollen, sie an seinen Entdeckungen zu beteiligen? Von welcher Seite auch dieser Artikel kommen mag, er beunruhigt mich. Du hast hier nur Haß und Eifersucht erregt; man hat dich verleumdet, und man konnte das Sprichwort anwenden: ›Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterland‹, und nun soll alles in einem Augenblick anders sein.«
    »Du kennst die Eitelkeit der Provinzstädte nicht,« erwiderte Lucien, »in einer kleinen Stadt des Südens hat man einen jungen Mann, der bei der alljährlichen Preisverteilung den Ehrenpreis bekommen hatte, an den Toren im Triumpf begrüßt, weil man in ihm den künftigen großen Mann sah.«
    »Höre mich, lieber Lucien, ich will dir keine Predigt halten, ich sage dir alles in einem Wort: Hier mußt du im kleinsten Mißtrauen haben.«
    »Du hast Recht«, sagte Lucien, war aber überrascht, seine Schwester so wenig begeistert zu finden.
    Der Dichter war vor Freude außer sich, daß sich seine klägliche und schmähliche Rückkehr nach Angoulême in einen Triumph verwandelt hatte.
    »Ihr glaubt nicht an das bißchen Ruhm, das uns so teuer zu stehen kommt!« rief Lucien, nachdem er eine Stunde geschwiegen hatte. Inzwischen hatte es sich wie ein Gewitter in seinem Herzen zusammengeballt.
    Statt jeder Antwort sah Eva Lucien an, und dieser Blick genügte, daß er sich seiner Beschuldigung schämte.
    Kurz nach dem Essen brachte ein Schreiberlehrling der Präfektur einen Brief, der an Herrn Lucien Chardon adressiert war und der die Sache zugunsten der Eitelkeit des Dichters zu entscheiden schien; die vornehme Welt schien ihn der Familie abspenstig machen zu wollen.
    Der Brief enthielt die folgende Einladung:
    »Graf Sixus du Châtelet und Gräfin du Châtelet bitten Herrn Lucien Chardon, am 15. September ihnen die Ehre zu geben, bei ihnen zu speisen.
    U. A. w. g.«
     
    Diesem Brief lag folgende Visitenkarte bei:
    Graf Sixtus du Châtelet
    Ordentlicher Kammerherr des Königs
    Präfekt der Charente, Staatsrat.
     
    »Sie stehen in Gunst«, sagte der alte Séchard. »Man spricht von Ihnen in der Stadt wie von einem großen Tier. Angoulême und Houmeau streiten sich

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