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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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untereinander, wer Ihnen Kränze flechten soll.«
    »Liebe Eva,« sagte Lucien der Schwester ins Ohr, »ich befinde mich wieder völlig in der Lage wie in Houmeau an dem Tage, wo ich zu Frau von Bargeton gehen sollte: ich habe für das Diner des Präfekten keinen Anzug.«
    »Du willst also diese Einladung annehmen?« rief Frau Séchard erschreckt.
    Es entstand über die Frage, ob er zur Präfektur gehen sollte oder nicht, ein Streit zwischen Bruder und Schwester. Der klare Verstand der Frau aus der Provinz sagte Eva, man dürfte sich in der großen Welt nur mit lachendem Gesicht, in tadellosem Kostüm und Auftreten zeigen; aber sie wollte ihren wahren Gedanken verbergen: Wohin würde das Diner des Präfekten Lucien führen? Was kann die große Welt von Angoulême für ihn sein? Ist nicht irgend etwas gegen ihn im Werke? Lucien sagte schließlich, bevor er schlafen ging, zu seiner Schwester: »Du kennst meinen Einfluß nicht! Die Frau des Präfekten fürchtet den Journalisten; und überdies steckt in der Gräfin du Châtelet immer noch Louise von Nègrepelisse! Eine Frau, die so viel Gunst erlangt hat, kann David retten! Ich werde ihr von der Entdeckung, die mein Bruder gemacht hat, sprechen, und es wird eine Kleinigkeit für sie sein, im Ministerium eine Beihilfe von zehntausend Franken zu erlangen.«
    Um elf Uhr nachts wurden Lucien, seine Schwester, seine Mutter, der alte Séchard, Marion und Kolb von der Stadtmusik geweckt, der sich die Regimentskapelle angeschlossen hatte. Die Place du Mûrier stand voller Menschen. Die jungen Leute von Angoulême brachten Lucien Chardon von Rubempré ein Ständchen. Lucien stand am Fenster seiner Schwester und sprach nach dem letzten Stück unter tiefem Schweigen der Menge die folgenden Worte: »Ich danke meinen Landsleuten für die Ehre, die sie mir erweisen, ich will versuchen, sie zu verdienen; verzeihen Sie mir, daß ich nichts weiter sage, ich bin so bewegt, daß ich nicht fortfahren kann.«
    »Es lebe der Dichter des ›Bogenschützen Karls IX.‹!«
    »Es lebe der Dichter der ›Margueriten‹!«
    »Es lebe Lucien von Rubempré!«
    Nach diesen drei Salven, die von etlichen Stimmen abgegeben wurden, wurden drei Kränze und Sträuße geschickt zum Fenster hineingeworfen. Zehn Minuten später war die Place du Mûrier leer und lag in tiefem Schweigen.
    »Zehntausend Franken wären mir lieber«, sagte der alte Séchard und drehte die Kränze und die Sträuße mit grinsendem Gesicht hin und her. »Aber Sie haben ihnen Margueriten gegeben, und man gibt Ihnen Sträuße dafür: es ist ein richtiges Blumengeschäft.«
    »Also das ist die Achtung, die Sie vor den Huldigungen haben, die mir meine Mitbürger darbringen!« rief Lucien, auf dessen Mienen nichts mehr von Melancholie zu sehen war; er strahlte vor Genugtuung. »Wenn Sie die Menschen kennten, Papa Séchard, wüßten Sie, daß es im Leben keine zwei solche Augenblicke gibt. Nur einer wahrhaften Begeisterung verdankt man solche Triumphe! – Dies, liebe Mutter, gute Schwester, tilgt vielen Kummer.«
    Lucien umarmte Mutter und Schwester, wie man sich in den Augenblicken umarmt, wo die Freude so überströmend groß wird, daß man sie in das Herz eines geliebten Menschen ausströmen lassen muß. »Wenn ein Schriftsteller, den der Erfolg berauscht,« hatte eines Tages Bixiou gesagt, »gerade keinen Freund zur Hand hat, umarmt er seinen Portier.«
    »Nun, liebes Kind,« sagte er zu Eva, »warum weinst du? Oh, es ist vor Freude ...«
    »Ach,« sagte Eva, bevor sie wieder schlafen gingen, zu ihrer Mutter, als sie allein waren, »in so einem Dichter steckt, glaube ich, etwas von einem hübschen Weibe zweifelhafter Sorte.«
    »Du hast Recht«, antwortete die Mutter und nickte mit dem Kopf. »Lucien hat schon alles vergessen; nicht nur sein Unglück, sondern auch unseres.«
    Mutter und Tochter trennten sich, ohne daß sie wagten, einander alles zu sagen, was sie dachten.
    In den Ländern, die von der sozialen Insubordination, die sich unter dem Wort ›Gleichheit‹ versteckt, verzehrt werden, ist jeder Triumph eines der Wunder, die nicht, wie manche Wunder früherer Zeiten, ohne Mithilfe geschickter Maschinisten zustande kommen. Von zehn Huldigungen, die zehn lebenden Männern dargebracht und vom Vaterlande vergeben werden, kennen in neun Fällen die ruhmreich Gekrönten die Ursachen nicht. War nicht der Triumph Voltaires auf den Brettern des Théatre Francais der Triumph der Philosophie seines Jahrhunderts? In Frankreich bekommt

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