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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sich prüfend in der Versammlung um.
    Alle mußten sich gestehen, daß Louise von Nègrepelisse sich selbst nicht mehr gleich sah. Die Pariser Welt, in der sie anderthalb Jahre zugebracht hatte, das erste Glück der Ehe, das die Frau ebenso verwandelt, wie Paris die Provinzialin umgestaltet hatte, die besondere Art Würde, die die Macht verleiht, all das machte die Gräfin du Châtelet zu einer Frau, die der Frau von Bargeton nicht mehr glich, als ein zwanzigjähriges Mädchen seiner Mutter ähnlich sieht. Sie trug ein entzückendes Häubchen aus Spitzen und Blumen, das graziös mit einer Diamantnadel befestigt war. Ihre à l´anglaise gescheitelten Haare standen ihr gut zu Gesicht und verjüngten sie, indem sie die scharfen Linien verbargen. Sie trug ein Kleid aus Foulardseide mit einer Spitzentaille und entzückenden Fransen, dessen Schnitt von der berühmten Victorine stammte und ihre Figur bestens zur Geltung brachte. Ihre Schultern waren von einem Spitzentuch bedeckt und unter einer Gazebinde kaum zu sehen, die sehr geschickt an ihrem zu langen Halse angebracht war. Sie spielte mit den reizenden Sächelchen, mit denen die Provinzfrauen nie umzugehen verstehen: ein Riechdöschen pendelte an einer Kette von ihrem Armreif herunter; in der Hand hielt sie ihren Fächer und ihr zerknittertes Taschentuch, ohne irgendwie sich dadurch gestört zu zeigen. Der erlesene Geschmack der geringsten Kleinigkeiten, die Haltung und die Manieren, die sie der Marquise d'Espard abgeguckt hatte, alles zeigte, daß Louise eine gelehrige Schülerin des Faubourg Saint-Germain gewesen war. Den alten Empiregeck hatte die Ehe so heruntergebracht, daß er den Melonen zu vergleichen war, die gestern noch grün waren und in einer einzigen Nacht gelb geworden sind. Als man auf dem blühenden Gesicht seiner Frau die Frische sah, die er verloren hatte, flüsterte man sich die üblichen Provinzspäße ins Ohr und tat das mit um so größerem Vergnügen, als alle Frauen über die neue Überlegenheit der früheren Königin von Angoulême rasend waren: der zähe Eindringling mußte für seine Frau büßen. Ausgenommen Herrn von Chandour und seine Frau, den seligen Bargeton, Herrn von Pimentel und die Rastignac, war in dem Salon ungefähr dieselbe Gesellschaft versammelt wie damals, als Lucien seine Vorlesung darin gehalten hatte, denn auch der Herr Bischof kam mit seinen Generalvikaren. Petit-Claud, der von dem Schauspiel der Aristokratie des Angoumois, in die hineinzukommen er noch vor vier Monaten nicht hatte hoffen können, gepackt war, fühlte, wie sein Haß gegen die oberen Klassen sich legte. Er fand die Gräfin du Châtelet entzückend und sagte sich: »Das ist die Frau, die mich zum Substituten machen kann.«
    Louise plauderte mit jeder der anwesenden Frauen, wobei sie den Ton ihrer Unterhaltung je nach der Bedeutung der Person und nach der Art, wie sie sich bei ihrer Flucht mit Lucien verhalten hatte, abstufte, und zog sich dann mit dem Bischof in das Boudoir zurück. Zéphirine nahm jetzt Petit-Claud, dem das Herz schlug, beim Arm und führte ihn in das Boudoir, in dem das Unglück Luciens begonnen hatte und in dem es sich vollenden sollte.
    »Dies ist Herr Petit-Claud, meine Liebe; ich empfehle ihn dir um so lebhafter, als alles, was du für ihn tust, ohne Frage meinem Mündel nützen wird.«
    »Sie sind Anwalt, Herr Petit-Claud?« fragte die erhabene Tochter der Nègrepelisse und maß Petit-Claud mit den Augen. »Ach ja, Frau Gräfin.«
    Niemals in seinem ganzen Leben hatte der Schneiderssohn aus Houmeau Gelegenheit gehabt, diese beiden Worte auszusprechen; es schien aber auch, als ob ihm der Mund ganz voll davon wäre.
    »Jedoch«, fuhr er fort, »hängt es von der Frau Gräfin ab, mich zur Staatsanwaltschaft zu bringen. Es heißt, daß Herr Milaud nach Nevers gehe...«
    »Aber«, erwiderte die Gräfin, »ist man nicht zuerst zweiter und dann erster Substitut?... Ich möchte gern, daß Sie gleich erster Substitut werden... Damit ich mich für Sie interessiere und Ihnen diese Gunst verschaffe, brauche ich einige Gewißheit über Ihre Treue gegen die Legitimität, die Religion und hauptsächlich Herrn von Villèle.«
    »Oh, Frau Gräfin,« versetzte Petit-Claud und näherte sich ihrem Ohre, »ich bin einer, der dem König absoluten Gehorsam leistet.«
    »Das eben brauchen wir jetzt,« erwiderte sie und trat zurück, um ihm nahezulegen, daß sie nichts mehr ins Ohr gesagt haben wollte. »Wenn Sie Frau von Senonches immer zusagen, können

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