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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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wohl, daß mein Ältester den Titel, das Wappen und die Pairswürde seines Großvaters übernehmen wird.«
    Frau von Pimentel sah mit Kummer, daß ihr zur Verwirklichung ihres Wunsches, ihrem Gemahl die Pairswürde zu verschaffen, eine Frau, deren Ehrgeiz sich schon auf ihre künftigen Kinder erstreckte, nicht beistehen würde.
    »Ich habe die Präfektin!« sagte Petit-Claud beim Fortgehen zu Cointet, »und ich verspreche Ihnen Ihren Gesellschaftsvertrag. In einem Monat bin ich erster Substitut, und Sie bekommen Séchard in die Hand. Helfen Sie mir jetzt einen Nachfolger für meine Praxis suchen, ich habe sie in fünf Monaten zur ersten von Angoulême gemacht.«
    »Man brauchte Sie nur aufs Pferd zu setzen«, sagte Cointet, der fast neidisch auf sein Werk war.
    Jeder kann jetzt merken, wie der Triumph Luciens in seiner Vaterstadt zustande gekommen war. Nach der Art jenes Königs von Frankreich, der für das, was dem Herzog von Orleans geschehen war, keine Rache nehmen wollte, wollte Louise sich nicht an die Beleidigungen erinnern, denen in Paris Frau von Bargeton ausgesetzt gewesen war. Sie wollte die Gönnerin Luciens sein, ihn mit ihrer Protektion erdrücken und ihn auf anständige Weise loswerden. Petit-Claud, der von der ganzen Intrige, die in Paris gespielt, durch den Klatsch Kenntnis bekommen hatte, hatte den lebhaften Haß richtig erraten, den die Frauen gegen den Mann hegen müssen, der es nicht verstanden hat, sie in dem Augenblick zu lieben, wo sie Lust hatten, sich lieben zu lassen.
    Am Tage nach der Huldigung, die die Vergangenheit Louisens von Nègrepelisse rechtfertigen sollte, fand sich Petit-Claud, um Lucien vollends zu benebeln und ihn in die Hand zu bekommen, an der Spitze von sechs jungen Leuten der Stadt, lauter früheren Schulkameraden Luciens, bei Frau Séchard ein.
    Diese Deputation war an den Verfasser der ›Margueriten‹ und des ›Bogenschützen Karls IX.‹ von seinen Mitschülern abgesandt worden, um ihn zu bitten, dem Bankett beizuwohnen, das sie dem großen Manne, der aus ihren Reihen hervorgegangen war, geben wollten.
    »Bist du's, Petit-Claud!« rief Lucien.
    »Deine Rückkehr«, sagte Petit-Claud zu ihm, »hat unsere Selbstliebe angeregt, unser Ehrgeiz fühlte sich angestachelt, wir haben uns zusammengetan und bereiten einen großartigen Schmaus für dich vor. Unser Direktor und unsere Professoren werden da sein, und wie die Dinge stehen, werden sicher auch die Behörden nicht fehlen.«
    »Und für welchen Tag?« fragte Lucien. »Kommenden Sonntag.«
    »Das wäre mir unmöglich«, erwiderte der Dichter. »Ich kann nur annehmen, wenn es heute in zehn Tagen ist ... aber dann gerne.«
    »Gut, ganz wie du wünschest,« versetzte Petit-Claud, »also in zehn Tagen.«
    Lucien war reizend mit seinen alten Kameraden, die ihm eine fast respektvolle Bewunderung bezeigten. Er plauderte ungefähr eine halbe Stunde lang mit vielem Geist, denn er stand auf einem Piedestal und wollte die Meinung seiner Vaterstadt rechtfertigen: er hatte die Hände in den Hosentaschen und sprach ganz und gar als Mann, der die Dinge von der Höhe ansieht, auf die seine Mitbürger ihn gestellt haben. Er war bescheiden und gutmütig wie ein Genie im Negligé! Es waren die Klagen eines Helden, den die Kämpfe in Paris ermattet, besonders aber enttäuscht hatten; er gratulierte seinen Kameraden, daß sie in ihrer braven Provinz geblieben waren usw. Als sie gingen, waren sie ganz entzückt von ihm. Er nahm dann Petit-Claud beiseite und erkundigte sich nach der Wahrheit von Davids Geschäftsangelegenheiten, wobei er ihm über die tatsächliche Einsperrung, in der sich sein Schwager befand, Vorwürfe machte. Lucien wollte gegen Petit-Claud recht schlau sein. Petit-Claud gab sich Mühe, seinem alten Kameraden die Meinung beizubringen, er, Petit-Claud, sei ein armseliger, kleiner Provinzanwalt ohne die geringste Schlauheit. Die gegenwärtige Verfassung der Gesellschaft, deren Räderwerk unendlich komplizierter ist als das der antiken Gesellschaften, hat zur Wirkung gehabt, daß in den Gaben der Menschen eine viel weiter gehende Teilung eingetreten ist. Früher mußten die hervorragenden Menschen universell sein, und daher traten sie in den antiken Völkern in kleiner Zahl und wie leuchtende Fackeln hervor. Als später die Fähigkeiten sich spezialisierten, mußte die Begabung sich noch immer in Beziehung zur Gesamtheit der Dinge halten. So konnte ein Mann, der's »hintern Ohren hatte«, wie man es Ludwig Xl. nachsagte, seine

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