Verlorene Illusionen (German Edition)
wenn die Herren Cointet Ihre Schulden bezahlen; wenn sie, nachdem die Schulden bezahlt sind. Ihnen noch eine Summe geben, die Ihnen sicher ist, gleichviel, welchen Wert, welche Zukunft oder Ausbeutungsmöglichkeit die Entdeckung hat; wenn sie Ihnen, wohlverstanden, außerdem einen bestimmten Anteil an den Gewinnen des Unternehmens bewilligen, wären Sie dann nicht glücklich? Sie, Frau Séchard, werden Eigentümerin der Druckereieinrichtung, und Sie werden sie ohne Frage verkaufen. Das bringt Ihnen zwanzigtausend Franken, zu diesem Preise garantiere ich Ihnen einen Käufer. Wenn Sie durch einen Gesellschaftsvertrag mit Herrn Cointet fünfzehntausend Franken bekommen, haben Sie ein Vermögen von fünfunddreißigtausend Franken, und zum gegenwärtigen Zinsfuß bringt Ihnen das zweitausend Franken Einkommen. Man kann mit zweitausend Franken in der Provinz leben. Und beachten Sie, Frau Séchard, daß Sie möglicherweise noch auf die Erträge Ihrer Assoziation mit der Firma Cointet rechnen können. Ich sage: möglicherweise, denn man muß auch mit dem Mißerfolg rechnen. Ich bin nun also in der Lage, Ihnen folgendes vorzuschlagen: Erstens Bezahlung sämtlicher Schulden Davids, zweitens fünfzehntausend Franken Entschädigung für seine Forschungen, die er bekommt, ohne daß die Herren Cointet sie in irgendeiner Weise zurückverlangen können, auch wenn die Entdeckung nichts einbringt; schließlich soll zwischen David und den Herren Cointet zur Ausbeutung des Erfinderpatents, das genommen werden soll, eine Gesellschaft gebildet werden; vorher soll gemeinsam und im geheimen ein Experiment über seine Herstellungsmethode gemacht werden. Folgendes sollen die Grundlagen des Vertrages sein: Der Anteil Davids besteht in dem Patent, das er einbringt, und er wird den vierten Teil der Gewinne bekommen. Sie sind eine einsichtige Frau, die Urteil hat, was bei so schönen Frauen nicht oft vorkommt; denken Sie über diese Vorschläge nach, und Sie werden sie sehr annehmbar finden.«
»Ach, Herr Petit-Claud,« rief die arme Eva in Verzweiflung und weinend, »warum sind Sie nicht gestern abend gekommen, um mir dieses Geschäft vorzuschlagen? Wir hätten die Schande vermieden und... Schlimmeres...«
»Meine Verhandlung mit den Cointet, die sich, wie Sie sich haben denken können, hinter Métivier verstecken, kam erst um zwölf Uhr nachts zu Ende. Aber was hat denn seit gestern abend geschehen können, was schlimmer ist als die Verhaftung unseres armen David?« fragte Petit-Claud.
»Diese schreckliche Botschaft fand ich bei meinem Erwachen«, antwortete sie und reichte Petit-Claud Luciens Brief hin. »Sie beweisen mir in diesem Augenblick, daß Sie sich für uns interessieren, Sie sind Davids und Luciens Freund, ich brauche Sie nicht um Verschwiegenheit zu bitten.«
»Seien Sie unbesorgt,« sagte Petit-Claud, nachdem er den Brief gelesen hatte, »Lucien tötet sich nicht. Nachdem er die Ursache zur Verhaftung seines Schwagers geworden war, brauchte er einen Vorwand, um Sie zu verlassen. Und ich betrachte das als eine Abgangsphrase im Kulissenstil.«
Die Cointet waren an ihrem Ziel angelangt. Nachdem sie den Erfinder und seine Familie lange genug gequält hatten, ergriffen sie den Augenblick, wo die Ermattung den Wunsch nach Ruhe schafft. Nicht alle Erforscher von Geheimnissen sind wie die Bulldogge, die mit der Beute zwischen den Zähnen stirbt, und die Cointet hatten den Charakter ihrer Opfer klug studiert. Für den großen Cointet war die Verhaftung Davids die letzte Szene im ersten Akt dieses Dramas. Der zweite Akt begann mit dem Vorschlag, den Petit-Claud eben gemacht hatte. Als großer Meister betrachtete der Advokat den tollen Streich Luciens als eine der unverhofften Chancen, die in einem Spiel die Entscheidung herbeiführen. Er sah, daß Eva von diesem Ereignis so niedergeschlagen war, daß er beschloß, es sich zunutze zu machen, um ihr Vertrauen zu gewinnen, denn er hatte sich gemerkt, welchen Einfluß die Frau auf den Mann hatte. Anstatt also Frau Séchard noch tiefer in die Verzweiflung zu tauchen, versuchte er, sie zu beruhigen, und er brachte sie sehr geschickt dazu, in der Geistesverfassung, in der sie war, ins Gefängnis zu gehen. Er dachte, jetzt würde sie David dazu bestimmen, den Gesellschaftsvertrag mit den Cointet zu machen.
»Frau Séchard, David hat mir gesagt, er wünschte nur für Sie und für Ihren Bruder zu Vermögen zu kommen. Es muß Ihnen doch jetzt klar sein, daß es eine Torheit wäre, Lucien reich
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