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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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selbst schuldig, uns die Gedichte mitzuteilen,« antwortete Francis, »denn das Genie dieses Kerlchens ist ihre Rechtfertigung.«
    »Sie sind doch Diplomat gewesen. Sie müssen das durchsetzen«, sagte Amélie zu Herrn du Châtelet.
    »Nichts leichter als das«, antwortete der Baron.
    Der frühere Privatsekretär war an solche kleine Schiebungen gewöhnt und suchte den Bischof auf, um ihn vorzuschieben. Da der Bischof die Bitte aussprach, konnte Naïs nicht anders, als Lucien um ein Stück bitten, das er auswendig wüßte. Der schnelle Erfolg des Barons bei dieser Unterhandlung trug ihm ein schmachtendes Lächeln von Amélie ein. »Wirklich, dieser Baron ist ein feiner Kopf«, sagte sie zu Lolotte.
    Lolotte hatte die bittersüße Bemerkung Amélies über die Frauen, die ihre Kleider selbst machen, noch nicht vergessen. »Seit wann erkennen Sie die in der Kaiserzeit verfertigten Barone an?« gab sie lächelnd zur Antwort.
    Lucien hatte versucht, seine Geliebte in einer Ode zu verherrlichen. Er hatte sie ihr mit einem Titel gewidmet, wie ihn die jungen Leute, wenn sie das Lyzeum verlassen, erfinden. Diese Ode, die von all der Liebe, die er im Herzen spürte, so reizend umschmeichelt und verschönt war, schien ihm das einzige Werk, das würdig sei, es mit Chéniers Dichtungen aufzunehmen. Er blickte mit einem ziemlich albernen Gesicht Frau von Bargeton an und sagte: »An Sie!« Dann gab er sich eine stolze Haltung, um dieses hochtrabende Stück über die Versammlung zu ergießen, denn seine Autoreneitelkeit fühlte sich hinter dem Rock der Frau von Bargeton sehr behaglich. In diesem Augenblick verriet Naïs den Frauenaugen ihr Geheimnis. Trotzdem sie gewöhnt war, diese Gesellschaft mit der ganzen Höhe ihres Geistes zu beherrschen, konnte sie sich nicht enthalten, für Lucien zu zittern. Sie verlor ihre Haltung, ihre Blicke flehten fast um Nachsicht; dann war sie genötigt, mit gesenkten Augen dazusitzen und ihre Beglücktheit bei den folgenden Strophen zu verbergen:

An Sie
Dem Born von Glanz und Helle, ewig klar.
Wo Lobgesänge zu der Harfe Ton
Erklingen von der frommen Engelschar,
Die sich versammelt um Jehovas Thron –
     
Entschwebt, den Himmeln lassend seinen Kranz,
Sein Sternenkleid und seinen Sllberstab,
Ein Cherub oftmals, dessen Haar den Glanz
Auf seiner Stirn verhüllt, und steigt herab.
     
Er sah von Gott, wie Menschen wohlzutun:
Er hilft dem Genius tragen sein Geschick,
Er läßt den Greis bei Kindeskindern ruhn.
Und er erheitert des Verzagten Blick.
     
Der späten Reue leiht er noch sein Ohr,
Erlöst das Mutterherz von Bangigkeit
Und rechnet Gott die frommen Seufzer vor.
Die mitleidsvolle Brust dem Elend weiht.
     
Von jenen schönen Abgesandten weilt
Ein einziger bei uns, den liebebang
Die Erde festhält, daß er nicht enteilt;
Doch zieht nach oben ihn der Heimatsdrang.
     
Nicht seiner Stirne leuchtend weißer Schein,
Nicht alles Göttliche der Wesensart,
Nicht seines Auges Feuer tief und rein
Hat seinen Ursprung mir geoffenbart;
     
Doch von dem Glanz verführt, vermaß mein Herz
Sich, seiner heiligen Natur zu nahn.
Und mußte spüren, daß er mit dem Erz
Des fürchterlichen Engels angetan.
     
Oh! hütet, hütet euch, daß nimmermehr
Den Seraph er erschaut, der heimwärts flieht,
Und nicht das Wort vernimmt von Wiederkehr,
Das durch die Abendluft melodisch zieht!
     
Ihr säh't sie sonst mit brüderlichem Flug
Die Nacht zerteilend wie ein Wolkenzug
Eingehn ins Sternentor,
Und auf die Leuchtspur ihrer Füße weist
Der Lotse, bangend, was es wohl verheißt,
Wie auf ein Meteor.
     
     
    »Verstehen Sie, was er eigentlich meint?« fragte Amélie Herrn du Châtelet und warf ihm einen koketten Blick zu.
    »Das sind Verse, wie wir sie im Gymnasium mehr oder weniger alle gemacht haben«, antwortete der Baron mit gelangweiltem Gesicht, da er bemüht war, seine Rolle als Kunstrichter, den nichts in Erstaunen setzt, beizubehalten. »Früher fühlten wir uns in den Ossianischen Nebeln wohl. Da war die Rede von Malwina, Fingal, Wolkenerscheinungen, Kriegsmännern, die aus ihren Gräbern emporstiegen und Sterne über ihrem Haupte hatten. Heutzutage ist dieser dichterische Plunder von Jehova, von Harfen, von Engeln, von den Fittichen der Seraphim ersetzt, von der ganzen Garderobe des Paradieses, die mit solchen Worten wie: ungeheuer, unendlich, Einsamkeit, Geist, wieder aufgefrischt wurde. Das ist ein Apparat mit großen Wassern, Motten Gottes, so eine Art christlicher Pantheismus, der mit mühsam

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