Verlorene Illusionen (German Edition)
viel Kosten für ihn hergestellt worden war. Alle Opfer, die man ihm gebracht, sollten vergeudet sein. Es fiel ihm ein, seine Mutter könnte da wohnen, und David könnte also den kostspieligen Umbau im Hof sparen, den er geplant hatte. Diese Abreise mußte die Verhältnisse seiner Familie in Ordnung bringen. Er fand tausend Gründe, die für seine Flucht sprachen, denn es gibt nichts Jesuitischeres als einen Wunsch. Er lief sofort nach Houmeau zu seiner Schwester, um ihr sein neues Los mitzuteilen und sich mit ihr zu beraten. Als er vor dem Laden Postels angelangt war, fiel ihm ein, er könnte, wenn sich keine andere Möglichkeit fände, bei dem Nachfolger seines Vaters die Summe leihen, die für einen Aufenthalt in Paris während eines Jahres nötig wäre.
»Wenn ich mit Louise zusammen lebe, wird ein Taler täglich für mich ein ganzes Vermögen sein, und das macht nur tausend Franken im Jahr«, sagte er sich. »Und in sechs Monaten bin ich reich.«
Eva und ihre Mutter hörten, nachdem sie versprochen hatten, das tiefste Geheimnis zu wahren, die Bekenntnisse Luciens an. Alle beide weinten bei der Erzählung unseres Ehrgeizigen, und als er den Grund dieses Kummers erfahren wollte, sagten sie ihm, alles, was sie besäßen, wäre von der Haus- und Tischwäsche, von Evas Aussteuer, von einer Menge Anschaffungen verschlungen worden, an die David nicht gedacht hätte, und sie wären froh, das alles besorgt zu haben, denn für David bedeuteten diese Dinge, die Eva mitbrächte, soviel wie eine Mitgift von zehntausend Franken. Lucien teilte jetzt seine Darlehnsidee mit, und Frau Chardon nahm es auf sich, Herrn Postel um tausend Franken für ein Jahr zu bitten.
»Aber Lucien,« sagte Eva in bekümmertem Tone, »du wirst also nicht bei meiner Hochzeit sein? O komm zurück, ich werde ein paar Tage warten! In vierzehn Tagen, wenn du sie hinbegleitet hast, wird sie schon erlauben, daß du wieder hierher kommst! Sie wird dich uns acht Tage schenken, uns, die wir dich für sie aufgezogen haben! Es wäre ein schlechter Anfang unserer Ehe, wenn du nicht dabei wärst... Aber«, unterbrach sie sich plötzlich, »wirst du mit tausend Franken genug haben? Dein Anzug kleidet dich himmlisch, aber du hast nur den einen! Du hast nur zwei feine Hemden, die sechs andern sind aus grober Leinwand. Du hast nur drei Batistkrawatten, die drei andern sind aus gewöhnlichem Jakonett, und deine Taschentücher sind auch nicht schön. Wirst du in Paris eine Schwester finden, die dir an dem Tag, wo du sie brauchst, deine Wäsche bereithält? Du wirst sie noch sehr vermissen. Du hast nur eine Nankinghose, die in diesem Jahr gemacht worden ist; die aus dem vorigen Jahre ist dir zu knapp; du mußt dich also in Paris neu einkleiden, und die Preise von Paris sind nicht die von Angoulême. Du hast nur zwei anständige Westen, ich habe die andern schon geflickt. Weißt du, ich rate dir, zweitausend Franken mitzunehmen.«
David, der in diesem Moment eintrat, schien die letzten Worte gehört zu haben, denn er blickte Bruder und Schwester schweigend an.
»Verbergt mir nichts«, sagte er schließlich. »Denke,« rief Eva, »er reist mit ihr fort«
»Postel«, sagte Frau Chardon, die hereintrat, ohne David zu sehen, »willigt ein, dir die tausend Franken zu leihen, aber nur für sechs Monate, und er will einen Wechsel von dir, den dein Schwager akzeptiert, denn er sagt, du bötest keine Garantie.«
Die Mutter blickte sich um, sah ihren Schwiegersohn, und die vier Menschen blieben in tiefem Schweigen. Die Familie Chardon fühlte, wie sehr sie David ausgenützt hatte. Alle schämten sich. Eine Träne schwamm im Auge des Buchdruckers.
»Du wirst also nicht auf meiner Hochzeit sein?« fragte er, »du wirst nicht bei uns bleiben? und da habe ich nun alles verschwendet, was ich hatte! Ach Lucien, eben bringe ich Eva ihren armseligen Brautschmuck; ich wußte nicht,« sagte er, trocknete sich die Augen und zog ein paar Schmuckkästchen aus der Tasche, »daß ich bedauern müßte, ihn gekauft zu haben.«
Er stellte mehrere mit Saffian überzogene Kästchen auf den Tisch vor den Platz seiner Schwiegermutter.
»Warum denkst du so viel an mich?« fragte Eva mit dem Lächeln eines Engels, das in Widerspruch zu ihren Worten stand.
»Liebe Mama,« sagte der Drucker, »sage Herrn Postel, ich willige ein, meine Unterschrift zu geben, denn ich sehe auf deinem Gesicht, Lucien, daß du entschlossen bist, abzureisen.«
Lucien nickte kraftlos und traurig mit dem Kopf und
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