Verlorene Liebe
ihn aufgehängt hatte, und lief nach draußen.
Die kalte Aprilabendluft rief ihr Florida ins Gedächtnis zurück. Sie könnte Kathie immer noch zu dem Trip überreden. Es mußte ja nicht unbedingt Florida sein. Auch die Karibik oder Mexiko kämen in Frage. Im Grunde jeder Ort, an dem es jetzt schön warm war und man herrlich ausspannen konnte. Und wenn sie ihre Schwester erst einmal aus dem Haus hatte, konnte sie sicher auch mit ihr reden. Falls das dann immer noch mit Schwierigkeiten verbunden sein sollte, würde sie sich an die drei Ärzte wenden, die Kathleen das Valium verschrieben hatten. Grace hatte sich ihre Namen eingeprägt, die auf den Flaschenetiketten vermerkt waren.
Sie mühte sich immer noch in ihren Mantel, als sie schon vor Eds Tür stand und anklopfte.
»Ich weiß, ich bin zu früh dran«, sprudelte es aus ihr heraus, kaum daß er die Tür öffnete, »und ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus. Ich dachte, wir könnten vorher noch einen Drink zu uns nehmen. Darf ich eintreten?«
»Aber natürlich.« Er machte ihr Platz und begriff instinktiv, daß sie, bis auf die letzte Frage, keine Antwort erwartete. »Ist mit Ihnen alles in Ordnung?«
»Sieht man mir das so deutlich an?« Sie lachte etwas zu schrill und fuhr sich durchs Haar. »Ich hatte nur einen Streit mit meiner Schwester. Nichts Dramatisches. Wir konnten noch nie länger als eine Woche Zusammensein, ohne daß es zu einigen Meinungsverschiedenheiten gekommen ist. Für gewöhnlich liegt es an mir.«
»Zu einem richtigen Streit gehören immer zwei.«
»Nicht wenn man mit mir unter einem Dach wohnt.« Wie gern hätte sie jetzt gern alles herausgelassen, was sich in ihr aufgestaut hatte. Ed hatte so liebe, verständnisvolle Augen. Aber der Krach von vorhin ging nur sie und Kathleen etwas an. Um sich abzulenken, sah sie sich gleich im Haus um. »Das ist ja ganz wunderbar hier.«
Grace’ Blick fiel nicht auf die zerfetzten Tapeten, die Stapel von zugeschnittenen Bauhölzern und den herabrieselnden Verputz, sondern auf die hohe Decke und den schönen alten Dielenboden.
»Ich bin noch nicht bis zu diesem Raum vorgedrungen.« In seiner Fantasie wußte er jedoch genau, wie dieses Zimmer einmal aussehen würde. »Die Küche stand ganz oben auf meiner Liste.«
»Das würde ich genauso halten.« Sie lächelte und streckte eine Hand aus. »Was ist, wollen Sie mich nicht herumführen?«
»Aber gern, wenn Sie das möchten.« Normalerweise hatte er, wenn er die Hand einer Frau nahm, immer das Gefühl, sie würde von seiner mächtigen Pranke verschluckt. Doch hier war das anders. Grace’ Rechte war zwar klein und schmal, aber sie erwiderte seinen Druck. Als sie am Treppenhaus vorbeikamen, blieb die junge Frau kurz stehen.
»Wenn Sie dieses Holz einmal abgeschliffen und gebeizt haben, sieht das bestimmt großartig aus. Ich liebe diese alten Häuser mit all den verschachtelten Zimmern. Komisch, nicht wahr, mein Apartment in New York besteht praktisch nur aus einem großen Raum, und ich fühlte mich dort auch sehr wohl, nur … Oh, Mann, das ist ja einmalig!«
Ed hatte in der Küche alles Schadhafte herausgerissen, die Tapeten abgekratzt, die alte Farbe entfernt und alles viel schöner wieder hergerichtet. Zwei Monate Arbeit steckten in diesem Raum. Was Grace anging, so war jede Minute, die er in dieser Küche gewerkelt hatte, die Mühe wert. Die Anrichten prangten in Dunkelrosa, einer Farbe, die sie bei einem Mann nie erwartet hätte. Im Kontrast dazu hatte er die Schränke dunkelgrün gestrichen und weiß abgesetzt. Die Einrichtung war im Stil der vierziger Jahre gehalten. Ein Steinherd mit Backofen war das Prunkstück dieses Raums, und er hatte ihn liebevoll restauriert. Sie vermutete, daß einst Linoleum den Boden bedeckt hatte, doch den hatte er zugunsten des Eichendielenbodens entfernt.
»Neunzehnhundertfünfundvierzig. Der Krieg ist vorbei, und in Amerika beginnt ein goldenes Zeitalter. Gefällt mir ausgezeichnet. Wo haben Sie denn den alten Herd aufgetrieben?«
Ed fiel auf, wie sehr Grace in diese Umgebung paßte – mit ihrem lose herabhängenden Haar und dem Mantel mit den gepolsterten Schultern. »Nun ja, oben in Georgetown gibt es einen Antiquitätenladen. Hat ’ne Stange Geld gekostet, all die Ersatzteile zusammenzubekommen.«
»Es sieht wunderschön aus, einfach unbeschreiblich.« Sie lehnte sich an die Anrichte und sagte sich, daß sie hier Ruhe und Entspannung finden konnte. Der Ausguß war aus weißem Porzellan und erinnerte sie an
Weitere Kostenlose Bücher