Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
nieder. Sie winkte Matej heran, der sie bislang stocksteif beobachtet hatte.
„Halt das Handy. So bitte, damit ich was sehen kann“, sagte sie und hielt ihm das Telefon hin. Das kalte Licht beleuchtete nur ungenügend die Person auf dem Boden.
Matej kam schüchtern auf sie zu. Er fragte etwas. Pütz verstand ihn nicht, doch ahnte sie, was er wissen wollte.
„Ja, er lebt noch. Los, halt das Handy. Ich muss ihn stabilisieren“, sagte Pütz und Matej kniete sich neben sie. Seine Augen richteten sich auf diese Frau. So etwas kannte Matej nicht. Frauen waren bestenfalls Krankenschwestern, doch bildete er sich ein, dass diese Frau etwas Besonderes war.
Hätte Pütz ihm ins Gesicht geschaut, anstatt dem Mann das Hemd aufzureißen, hätte sie die Erleichterung in der Miene des Jungen gesehen.
*
Zwei Notarztwagen setzten sich nacheinander in Bewegung. In dem einen lag Eliska, die ihr Bewusstsein nicht wiedererlangt hatte, in dem anderen rang der Mann vom Dachboden mit dem Tod. Winterhalter strich sich gedankenverloren über das kleine Bärtchen, was unter seiner Unterlippe prangte. Das Blaulicht tauchte die Straße in ein beklemmendes Licht und illuminierte die Menschen, die durch den Aufruhr auf die Straße gekommen waren.
„Hoffentlich übersteht sie das Ganze gut“ , murmelte Pütz, mehr vor sich hin, als dass sie es an Winterhalter oder Schuberth adressiert hätte.
„Wenn wir nur wüssten, was dort oben passiert ist“, sagte Schuberth und blickte zu den Polizeibeamten herüber, die im Begriff waren, Matej und seine Schwester zu befragen.
Die Geschwister standen mit gesenkten Köpfen da und beantworteten mit knappen Sätzen die Fragen der Polizistin nen. Eine der Beamtinnen trug Zivilkleidung. Pütz bemerkte, wie sie zu ihr herübersah. Kurz drauf sprach sie etwas zu ihrer Kollegin, die nickte.
Die Zivilbeamtin kam zu Pütz und Schuberth herüber.
„Guten Abend, mein Name ist Beata Prochaska“, sagte sie in einem guten Deutsch und reichte ihnen die Hand. Ihr Händedruck war fest.
„Denken Sie, dass die Kleine von dem Mann vergewaltigt wurde?“, fragte Schuberth und sprach damit das aus, was alle beschäftigte.
„Ich kann es ihnen nicht sagen. Die Ärzte im Krankenhaus werden sie untersuchen. Wir können zu dem Geschehen nichts sagen, bevor die Spurensicherung nicht den Dachboden inspiziert hat. Und wir brauchen vor allem die Zeugenaussage der Kleinen. Wie ist ihr Name?“
„Sie heißt Eliska Kucera und ist neun Jahre alt“, sagte Schuberth, „Diese beiden Kinder dort drüben sind ihre älteren Geschwister.“
Sie schaute kurz zu dem Einsatzfahrzeug herüber, in das ihre Kollegin die Kinder verfrachtet hatte, weil sie total durchgefroren waren. Tereza kuschelte sich sofort an ihren Bruder.
„Hmh, genau. Der Junge hat großen Mut bewiesen, als er seine kleine Schwester gegen den Mann verteidigte. Wenn es so stimmt, was er angibt.“
„Warum sollte er lügen? Denken Sie, er hat den Mann dorthin geholt?“, fragte Pütz.
„Ich denke noch überhaupt nichts“, antwortete Prochaska.
„Die Geschwister waren vor ein paar Tagen bei mir im Büro. Dort äußerten sie ihre Angst, dass ihre kleine Schwester auch Kontakt zu pädophilen Männern haben könnte“, sagte Schuberth.
„Die beiden haben Kontakt zur Szene?“, fragte Prochaska und kniff die Augenbrauen zusammen.
Schuberth bestätigte das und erläuterte ihr kurz, seit wann sie Kontakt zu den Zwillingen unterhielt.
„ Aber genau das machte es so schwer, die Täter zu fassen“, bestätigte Beata Prochaska vom Polizeipräsidium in Cheb, „Wir sind sehr interessiert daran, den sexuellen Missbrauch an Kindern aufzuklären, aber ohne belastbare Zeugenaussagen können wir nicht eingreifen“, erklärte sie.
„Aber sie haben doch eine Aussage von Eliskas Bruder“, warf Pütz ein.
„Er konnte uns nicht wirklich sagen, was vor seinem Eintreffen passiert war“, antwortete die Kommissarin.
„Aber Eliska kann das sicher tun“, sagte Schuberth und nickte bestätigend.
„Wenn er das Kind unter Drogen gesetzt hat oder sie in Ohnmacht fiel, dann ist das auch keine belastbare Zeugenaussage“, sagte sie bedauernd.
„Moment“, sagte Pütz und zog ihre Stirn kraus, „Wollen Sie damit sagen, dass der Kerl, wenn er wirklich ein pädophiler Täter mit entsprechenden Absichten war, davon kommt?“
Prochaska zuckte mit den Schultern.
„Läuft es dumm, kann das so kommen.“
„Das ist nicht ihr Ernst!“
„Und obwohl der
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