Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
schwer, nicht wieder zu der Mutter von Eliska und Katharina Schuberth herüberzugehen, andererseits wollte sie eigentlich weg aus dieser Situation.
Winterhalter hatte sie am Arm aus dem Geschehen ziehen müssen. Jetzt stand er wortlos neben ihr und beobachtete, wie Eliskas Mutter mit der Streetworkerin stritt. Ihr Atem vermischte sich. Sie waren sich sehr nah, doch Pütz empfand diese Nähe nicht.
Noch vor einer Minute wäre sie dieser Frau am Liebsten an die Kehle gegangen. Die Polizei hatte Tereza und Matej mitgenommen. Die Mutter protestierte, rannte theatralisch hinter dem Polizeiwagen her und brach auf der Straße zusammen. Als Pütz sie dort mitten auf der Straße knien sah, spürte sie, wie in ihr das Gefühl des Ekels aufkeimte.
Wie falsch konnte jemand sein?
Diese Frau schickte ihre Kinder auf den Strich und markierte jetzt hier die Betroffene. Sie hatte sogar keine Skrupel, ihre kleine Tochter an Perverse zu verschachern. Schuberth ging zu ihr hin und half ihr beim Aufstehen.
Auf ihren Arm gestützt , führte Schuberth die Mutter dann zu Winterhalter und Pütz. Sie versuchte, in dem Gesicht etwas auszumachen.
Vor allem einen Anflug eines ehrlichen Gefühls. Sie hielt diesen Auftritt nur für Theater. In der Dunkelheit der Nacht sah sie die noch jugendlichen Züge der Frau, ihre Augen waren geschlossen. Schuberth reichte ihr ein Papiertaschentuch und sie putzte sich die Nase.
Pütz spürte, wie ihr, trotz der Kälte, der Schweiß auf die Stirn trat. Ob sich die Frau darüber im Klaren war, dass wegen ihrer Aktivitäten ihre kleine Tochter völlig traumatisiert auf dem Weg ins Krankenhaus war? Und wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass auch dieser Mann, der um sein Leben kämpfte, auf ihr Betreiben nach Eliska gesucht hatte.
Frau Kucera sagte etwas zu Schuberth, was Pütz natürlich nicht verstand. Schuberth hob erstaunt die Brauen. Sie antwortete etwas, kam dann die zwei Schritte auf Pütz und Winterhalter zu.
„Die Mutter von Eliska möchte, dass Sie gehen. Sie möchte nichts mit der Presse zu tun haben. Sie möchte nicht, dass ihre Trauer Anlass für einen Artikel gibt.“
„Ich bin beeindruckt“, antwortete Pütz mit unverhülltem Sarkasmus, „Anlass für einen Artikel? Haben Sie die Frau gefragt, woher der Kerl wusste, wo Eliska sich versteckt hat? Fragen Sie sie, los!“
„Nein, das habe ich nicht. Sie wird ihre Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit verlieren“, antwortete Schuberth.
„Das ist nicht ihr Ernst, Frau Schuberth. Ihre Tochter ist sehr wahrscheinlich von einem Pädophilen vergewaltigt worden und Sie kümmern sich um diese Frau? Ich habe dafür wirklich kein Verständnis“, sagte Pütz scharf. Sie schob die Streetworkerin beiseite, die von der Aktion völlig überrascht wurde.
Pütz trat vor Aneta Kucer a hin und schaute der Frau fest in die Augen. Blinzelnd, mit verheulten Augen erwiderte die den Blick.
„Sie wollen abstreiten, gewusst zu haben, dass ihr Kind in Gefahr war? Sie wollen abstreiten, dass dieser Kerl auf der Suche nach Eliska war und sie davon wussten oder ihn sogar darin bestätigt haben?“
Der Blick der Frau wurde flatterhaft. Sie antwortete, Pütz verstand sie nicht, weil sie Tschechisch sprach. Sicher, in welcher Sprache hätte sie auch antworten sollen? Sie hatte auch Pütz Worte kaum verstehen können. Das war ihr egal. Mit aller Macht entlud sie ihre Wut. Über den Tod von Jolanka Ciczek, über den erbärmlichen Zustand von Eliska. Über diese Frau, die vorgab, eine mitfühlende Mutter zu sein.
Sie hätte kotzen können.
Aneta Kuceras Blick suchte Halt bei der Streetworkerin.
„Frau Schuberth wir d Ihnen nicht helfen können“, sagte Pütz langsam und stellte sich zwischen die beiden Frauen, „Was für ein Mensch muss man sein, um eine Neunjährige an Pädophile zu verhökern?“
Wie unfassbar?
Frau Kucera senkte ihren Blick und ihr Körper fing an, zu zucken.
Pütz spürte einen Griff an ihrem Arm.
„Frau Pütz, bitte, das bringt nichts. Sie kann nicht verstehen, was Sie ihr sagen“, sagte Schuberth mitfühlend.
Fast hätte sie den Arm rüde weggestoßen, so besessen war sie in diesem Moment davon, der Frau die Meinung zu sagen. Sie hatte noch das Bild des kleinen Körpers vor Augen, den ihr verstörter Bruder, in Decken gehüllt, in Händen hielt.
Am liebsten hätte sie dieser Frau ins Gesicht geschlagen. Ihre Fantasie schlug Kapriolen und sie wurde beinahe blind für die Realität.
Aneta Kucera fing an, zu schluchzen.
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