Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
fragte Pütz scheinheilig.
„Ja, die Polizei hat aber bereits einen Verdächtigen, heißt es.“
Jetzt wurde Pütz hellhörig. „Ach ja, wer denn?“
„Darüber herrscht noch Stillschweigen.“
„Woher haben Sie denn diese Info?“, fragte Pütz. Sie vermutete dahinter eine vorschnelle Vollzugsmeldung, die auf dem Mist der Klinikleitung gewachsen war. Immer schön den Ball flach halten. Diesen Polizisten traute sie keine Verhaftung zu, selbst wenn man ihnen den Täter auf einem silbernen Tablett präsentieren würde.
Frau Schmitt-Wienand stand auf, um zum Büfett herüber zu gehen. „Die Frauen an der Rezeption haben das gesagt, als ich dort eben vorbeiging.“
Pütz grinste innerlich. Na sicher. Und der Papst hört heimlich Hardrock auf dem Beichtstuhl. Das mit dem Verdächtigen war gelogen. Da war sie sicher.
Ohne sonderlichen Appetit aß Pütz ihr Frühstück. Müesli. Tee. Dann stellte sie sich in die Schlange vor der Rezeption, wo sie nach einer Viertelstunde erfuhr, dass heute alle Anwendungen um eine Stunde nach hinten verschoben würden. Sie rechnete kurz nach. Wenn sie alle Anwendungen heute wahrnahm, dann würde sie zu spät zur Verabredung mit Reto Winterhalter kommen.
Als Erstes stand wieder Sport auf dem Programm. Danach wieder ein Gespräch mit Professor Doktor Wielpütz. Sie trödelte zurück. Franziska Eichhorn wirkte sehr angespannt an diesem Morgen. Carola Pütz erinnerte sich an ihre Worte, die sie dem Unbekannten hinter der Türe zugeworfen hatte. Er solle aufhören, solange die Polizei im Hause war.
Hatte der Mord etwas mit dem Unbekannten zu tun?
Welche Rolle spielte dabei Franziska Eichhorn?
Warum schien sie so angefasst zu sein?
Über Jahre war ihre Neugier in solchen Dingen eine ihrer Stärken gewesen und hatte sie zu der bekannten Medizinerin gemacht, die sie war. War das noch so? Sie hätte sich gewünscht, mit einem Kommissar über die Ergebnisse der Obduktion sprechen zu können. Oder noch besser, direkt mit dem zuständigen Gerichtsmediziner. Doch bei diesen Ermittlern verspürte sie dazu überhaupt keine Lust. Im Gegenteil. Sie wünschte sich ihre Kollegen aus Frankfurt herbei. Da wäre der Ablauf der Tatortermittlung in der letzten Nacht weitaus professioneller gestaltet worden. Beinahe fürchtete sie, der Mörder könne bei der schlampigen Arbeitsweise der Polizei unentdeckt bleiben.
Sie sah die Augen des Mädchens vor sich.
Kornblumenblau.
Tot.
Mit einem Kopf voller Gedanken und ohne wirkliches Engagement saß sie eine halbe Stunde lang auf ihrem Trainingsfahrrad.
*
Nicht nur die Kurklinik Sachsenglück war in Aufruhr. Der ganze Ort hatte binnen kürzester Zeit von der Toten in der Klinik erfahren. Die Telefone Standen nicht mehr still, auch nicht das von Dr. Clara von Hohenstetten. Sie war genervt, weil sie keine ausreichenden Informationen weitergeben konnte. Frau Doktor hatte kein großes Vertrauen in die Fähigkeiten der Polizei. Nicht in der Sache mit dem Diebstahl, erst recht nicht jetzt, wo es sich um einen Mord handelte. Ein Mord in der Kurklinik. Der Super Gau. Gefürchtet und nun eingetreten. Was auch immer sich dahinter verbarg, es würde das Renommee der Kurklinik bis auf Weiteres schädigen. Sie überlegte gerade, ihre Werbeagentur zu kontaktieren, als erneut das Telefon klingelte. Sie nahm das Telefongespräch an, indem sie auf eine Taste drückte.
„Von Hohenstetten“, sagte sie.
„Eichhorn, entschuldigen Sie bitte. Die Kriminalpolizei ist wieder hier. Soll ich die Herren nach hinten geleiten?“
Es kam ihr ungelegen. Trotzdem bejahte sie die Frage.
Eine Minute später klopfte es zaghaft an der Türe. Franziska Eichhorn trat ein, in ihrem Gefolge waren zwei Beamte, die sich ihr als die Kriminalkommissare Schmidt und Streiter vorstellten.
Von Hohenstetten dank te Frau Eichhorn und bat die Herren, sich zu setzen.
Schmidt schaute kurz zu seinem Kollegen herüber. „Wie müssen Ihnen ein paar Fragen stellen, Frau von Hohenstetten“, sagte er dann. Er stützte seine Arme auf den Obers chenkeln ab. Schmidt sprach mit den Händen, die er seiner Gesprächspartnerin gegenüber öffnete. Auf seiner haarlosen Stirn machten sich dicke Sorgenfalten breit. Klein, kompakt. Man hätte den Mann unterschätzen können. Mit einer sehr ausgeprägten Glatze sah er nicht aus wie einer, der sportlich ambitioniert war. Doch hatte er erst letztens einen Flüchtigen verfolgt und eingeholt, der gute fünfzehn Jahre jünger war als er.
„Aber bitte,
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