Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
notiert. Nach der äußeren Leichenschau erfolgt das Öffnen des Körpers.
Routinemäßig schauten die Rechtsmediziner nach Strommarken an der Handinnenfläche, nach punktförmigen Einblutungen in den Augenbindehäuten, die auf ein Ersticken hindeuten, nach Fremdmaterial im Mund oder Abwehrverletzungen an den Händen.
Carola Pütz nahm einzeln die Unterarme der Toten hoch. Vorsichtig, als könnte sie der Kleinen noch wehtun. Sie sah dort, was sie bereits befürchtet hatte. Die Leiche zeigte sogenannte Probierschnitte an den Handgelenken auf. Jolanka hatte versucht, sich das Leben zu nehmen. Zweifelsfrei. Sogar mehrmals. Die Schnitte wiesen unterschiedliche Stadien der Wundheilung auf. Einige waren schon vernarbt, auf den frischesten Wunden zeigte sich sogar noch rissiger Schorf.
Sie diktierte es laut dem riesigen Mikrofon. Danach beugte sie sich über den Oberkörper der Toten und begutachtete die Strangulationsmerkmale am Hals, öffnete der Toten den Mund.
Die Tatsache, dass man sie im Poo l treibend aufgefunden hatte, legte einen Tod durch Ertrinken nahe. Durch die Pendelatmung während des Ertrinkens entsteht in den Luftwegen eine Mischung des flüssigen Mediums - Wasser - mit Luft und Schleim, wobei proteinreicher Schleim durch den Fremdkörperreiz vermehrt abgesondert wird. Nach Aussetzen des hydrostatischen Druckes bei der Bergung der Leiche aus dem Wasser tritt spontan ein zäher, feinblasiger, weißlicher Schaum aus den Atemwegen und quillt pilzartig aus den Mund- und Nasenöffnungen hervor. Nach der Bergung trocknet der charakteristische Schaumpilz verhältnismäßig rasch ab. In Einzelfällen finden sich zusätzlich eine Zyanose, eine leichte Dunsung des Gesichtes sowie einzelne petechiale Blutungen.
Jolanka Ciczek hatte keine der drei Merkmale aufzuweisen.
„Das Opfer wurde erst nach ihrem Tod in den Pool geworfen, damit es wie ein Tod durch Ertrinken aussehen sollte. Ich muss schon sagen, der Täter ging hier sehr stümperhaft vor. Man bedenke auch, dass durch das Drücken auf Trachea und Oesophagus und die einhergehende Kompression der Halsvenen und der Luftwege massive Stauungszeichen aufgetreten sind. Ich fotodokumentiere das“, sagte sie.
Im Augenwinke l sah sie, wie Giegrich bei den letzten Worten leicht zusammenzuckte.
„Würden Sie bitte eine Kamera holen?“, bat sie ihn daraufhin. Sie beschlich eine böse Vorahnung. Giegrich druckste herum und schob seine Mütze auf dem Kopf zurecht.
„Was?“
„Die Digitalkamera hat die Frau Doktor mit nach Hause genommen“, sagte er kleinlaut.
„Und wie sollen wir jetzt unseren Bericht dokumentieren?“, fragte sie.
Er zuckte mit den Schultern.
„Besorgen Sie mir eine Digitalkamera! Egal, wie Sie das anstellen. Ich werde sonst sofort hier aufhören.“
Giegrich begann wieder, zu glotzen. Pütz nahm sich die OP-Kappe ab und warf sie wütend auf den leeren Sektionstisch neben sich.
„Das ist mein Ernst! Sind Sie noch nicht weg?“
Der Assistent blickte ihr noch einmal prüfend in die Augen, bewegte sich wortlos zur Türe und schlüpfte hinaus. Das Funkeln in ihren Augen schien ihn blitzartig davon überzeugt zu haben, sich in Bewegung zu setzen.
„Ich lasse mich doch nicht verarschen“, rief sie ihm hinterher, doch das hörte der Mann bereits nicht mehr. Kopfschüttelnd wandte sie sich ab. Sie stützte sich mit beiden Händen auf einen der freien Sektionstische ab.
Innerlich sackte sie zusammen. Bei jeder Obduktion musste sie gegen das Gefühl der Sinnlosigkeit ankämpfen, was sich einstellte, sobald sie einen Toten vor sich liegen hatte. Daher hatte sie sich auch der plastischen Forensik zugewandt. Hier hatte sie die Chance, denen, die sonst für immer vergessen worden wären, noch ein Antlitz zu geben. Den Angehörigen Gewissheit zu spenden. Und womöglich einen Verbrecher seiner gerechten Strafe in einem Gefängnis oder einer psychiatrischen Einrichtung zuzuführen.
Du solltest eigentlich nicht hier sein. Genau in diesem Moment erkannte sie ihren Zustand. Du bist noch längst nicht fit. Sie führte ihre n rechten Handrücken an die Stirn. Du beendest noch diese Obduktion.
Danach ist es gut.
Schluss!
Sofort schoss ihr Reto Winterhalter in den Kopf. Sich widersprechende Gedanken. Flutartig.
Was mache ich mit ihm? Es war ja völlig klar, dass sie sich für ihn interessierte. Für ihn als Menschen. Für ihn als Mann. Nicht nur, weil er sich für die gepeinigten Kinder einsetzte.
Würde sie ihn noch sehen können, wenn sie sich
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