Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
Bett landete.
„Mach es dir gemütlich. Wenn die mitkriegen, dass du hier bist, bekomme ich sowieso noch einen Riesenärger. Also, genieß deine Nacht auf meinem Bett.“ Marie legte sich auf den Rücken und angelte mit ihren Pfoten nach Carolas Arm. Verspielt biss sie Carola in ihre Hand.
Pütz beobachtete den Hund. Solange, bis sie schließlich mit einem Lächeln auf den Lippen einschlief. Marie legte sich mit dem Gesicht in Richtung der Türe und wartete.
Doch derjenige, der vor der Türe gestanden hatte, kam nicht mehr zurück. Nicht in dieser Nacht.
*
Bad Elster – Louisa-See
In dieser Nacht hatte es heftig geschneit. Der Räumdienst der Stadt kurvte um halb sechs mit zwei kleinen Traktoren über die Wege rund um den Louisa-See. Der eine fuhr über den nördlichen Weg, der andere türmte auf der südlichen Seite den Schnee mit seiner Schaufel alle fünfzehn Meter zu kleinen Wällen auf. Die beiden Fahrer gaben Gas. Der erste richtige Schneefall läutete jedes Jahr einen Wettkampf ein. Derjenige, der als Erster den Flora-Tempel erreichte hatte den Status eines Titelverteidigers inne. Alle Kollegen versuchten, nun den ganzen Winter über den Rekord zu brechen. Die nördliche Route war länger, dafür lag ein Teil des Weges im Wald, wo der Schnee sich nicht so hoch auftürmte. Der südliche Weg war kürzer, aber dort lag immer viel mehr Schnee. Der junge Gärtner, der an diesem Morgen den südlichen Weg beackerte, hatte die ganze Zeit über seinen Kollegen auf der anderen Seeseite im Blick. Der hatte einen Vorsprung. Er warf den Rückwärtsgang rein und setzte den Traktor wieder auf den Weg zurück. Die Schaufel senkte sich auf den Boden und er gab Gas. Der Schneehaufen, den er zu seiner Rechten zusammengeschoben hatte, war gut anderthalb Meter hoch. Der Traktor ruckte vorwärts. Während sein Arbeitsgerät wieder den Schnee zusammenschob, beobachtete er den Kollegen auf der anderen Seite.
„Warte, ich werde dich schon noch kriegen“, murmelte er vor sich hin. Der Motor des Traktors heulte auf, als er den nächsten Schneeberg rechts zusammenschob. Der Schnee war nass und schwer. Gegen Mitte der Nacht hatten sich die sanften kleinen Schneekristalle in schwere Schneeflocken verwandelt. Dementsprechend mühsam war die Arbeit. Vor der Zeit mit den Traktoren hatte es Jahrzehnte lang eine vielköpfige Schneeräumkolonne gegeben, die morgens den Park vom Schnee zu befreien hatte. Was früher zwanzig Männer erledigten, war nun Aufgabe der beiden Traktoren.
Wieder ruckte der Dieselmotor nach vorne. Er konnte den Motor des anderen Treckers schon hören. Trotz des Krach s, den der Diesel machte und des scharfen Geräusches, was das Schieben des Schnees auf dem Weg verursachte.
„Mist“, fluchte der Mann, „Er hat wohl doch gewonnen.“
Tatsächlich erstarb in diesem Moment das Motorengeräusch des anderen Traktors mit einem letzten Tuckern des Diesels. Triumphierend riss der Fahrer die Türe auf, sprang vom Fahrzeug herunter und rannte die letzten Meter bis zum Flora-Tempel herüber. Dann blieb er stehen, richtete sich voller Stolz in ganzer Größe neben dem Tempel auf und holte in aller Ruhe eine Zigarette aus einer Hartbox.
Man konnte seine Zähne blitzen sehen, als er seine Hand vor einer der Säule kreisen ließ. Wer zuerst eine der Säulen des kleinen Tempels berührte, hatte das Rennen gewonnen. Doch dann l ieß er seine Hand sinken und schritt in den Tempel hinein. Sekunden später kam er zurück und gestikuliert wild. Er rief irgendetwas. Der Fahrer, der das Rennen verloren hatte, glaubte an einen schlechten Scherz. Doch dann kam ihn ein Zweifel. Sein Kollege deutete in den Tempel und schrie irgendetwas Unverständliches.
Er hielt den Traktor an, das Motorengeräusch erstarb. Er öffnete die Türe und rief ihm zu: „Ich habe es ja verstanden, Du hast gewonnen. Was soll die Show jetzt noch?“
„Hier sitzt einer. Ich glaube, der ist tot“ , antwortete der andere Gärtner mit Panik in der Stimme. Die Scheinwerfer des Traktors beleuchteten den Tempel nur ungenügend. Er sprang von seinem Fahrzeug herunter und rannte zu dem weißen Gebäude herüber.
Sein Kollege blieb wie angewurzelt stehen. Die Zigarette hielt er noch immer zwischen den Fingern seiner rechten Hand.
„Da, siehst Du. Der bewegt sich nicht mehr“, stieß er hervor und deutete auf eine Gestalt, die auf einem der Steinbänke im Inneren des Tempels saß.
Wer setzt sich bei dieser Arschkälte freiwi llig auf eine dieser
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