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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Dezernats stark reduziert. Irgend jemand hatte einen Truthahn aus Pappe an eines der Fenster geklebt, doch das war das einzige sichtbare Zeichen von Festtagsstimmung. Ben zog einen dünnen Kreis um Tess’ Apartmenthaus, bevor er zu Ed hinübersah.
    »Und wann ziehst du um?«
    »Kommt ganz darauf an.« Ed blickte stirnrunzelnd auf die Tasten und hielt einen Moment inne, bevor er weitertippte. »Muß erst abwarten, ob der Kontrakt zustande kommt.«
    »Du läßt die Leute von einem Killer umbringen, damit du ihre Wohnung mieten kannst?«
    »Der Kaufkontrakt. Scheiße, diese Schreibmaschine ist 283
    kaputt.«
    »Kaufkontrakt?« Ben ließ seinen Bleistift fallen und starrte Ed an. »Du kaufst eine Wohnung? Du kaufst sie?«
    »So ist es.« Geduldig beseitigte Ed seinen letzten Tippfehler mit Tipp-Ex, blies aufs Papier und nahm die Korrektur vor. Neben ihm stand eine Spraydose mit Lysol.
    Wenn jemand vorbeikam, der nach Grippe aussah, vernebelte er die ganze Umgebung. »Das hast du mir doch vorgeschlagen.«
    »Ja, aber das war doch bloß … du kaufst sie?« Um alle Spuren zu verwischen, bedeckte Ben die im Papierkorb liegende leere Cola-Dose mit Konzeptpapier. »Was für eine Art von Bruchbude kannst du dir mit einem Polizistengehalt denn leisten?«
    »Manch einer versteht eben zu sparen. Ich setze mein Kapital ein.«
    »Dein Kapital?« Ben verdrehte die Augen und faltete den Stadtplan zusammen. Damit kam er nicht weiter.
    »Der Mann verfügt über Kapital«, teilte er seiner Umgebung mit. »Demnächst wirst du mir noch erzählen, daß du an der Börse spekulierst.«
    »Ich habe ein paar kleine, aber sichere Investitionen getätigt. Hauptsächlich Aktien öffentlicher
    Versorgungsbetriebe.«
    »Aktien öffentlicher Versorgungsbetriebe. Das einzige, was du darüber weißt, ist, daß du regelmäßig deine Gasrechnung bekommst.« Trotzdem musterte er Ed mit unsicherem Blick. »Wo ist diese Wohnung?«
    »Hast du ein paar Minuten Zeit?«
    »Ich wollte sowieso eine Pause einlegen.«
    Ed zog seinen Bericht aus der Maschine, überflog ihn mit argwöhnischem Blick und legte ihn beiseite. »Dann 284
    laß uns eine kleine Autofahrt machen.«
    Sie brauchten nicht lange. Die Wohnung lag am äußeren, nicht gerade vornehmen Rand von Georgetown. Die Reihenhäuser sahen eher verwohnt als distinguiert aus.
    Die Herbstblumen hatten einfach aus Mangel an Interesse den Geist aufgegeben und standen verwelkt inmitten von umherliegendem Laub, das niemand zusammengeharkt hatte. An einem Laternenpfahl war ein Fahrrad angekettet, dem alle Teile fehlten, die sich abschrauben und mitnehmen ließen. Ed fuhr an den Bordstein und hielt an.
    »Da ist es.«
    Vorsichtig drehte Ben den Kopf zur Seite. Daß er nicht aufstöhnte, ehrte ihn.
    Das schmale Haus war drei Stockwerke hoch. Die Eingangstür befand sich kaum fünf Schritt vom
    Bürgersteig entfernt. Zwei der Fenster waren mit Brettern vernagelt, und die Fensterläden, die noch nicht abgefallen waren, hingen schief in den Angeln. Die Ziegelsteine waren alt und ausgeblichen. Der einzige Farbtupfer war ein obszönes Graffito, das jemand an die Wand gesprayt hatte. Ben stieg aus, stützte sich auf die Motorhaube und versuchte, das, was er sah, nicht zu glauben.
    »Das ist doch was, nicht wahr?«
    »Ja, was ist es ganz sicher. Ed, das Ding hat überhaupt keine Dachrinnen.«
    »Ich weiß.«
    »Die Hälfte der Fenster sind kaputt.«
    »Ich hab’ mir gedacht, daß ich in ein paar vielleicht farbiges Glas einsetze.«
    »Ich glaube, das Dach ist seit der Wirtschaftskrise nicht neu gedeckt worden.«
    »Ich sehe mich gerade nach Dachfenstern um.«
    285
    »Versuch’s doch mal in einem Laden, der Scherzartikel verkauft.« Ben steckte die Hände in die Taschen seiner Jacke. »Laß uns mal reingehen.«
    »Ich habe noch keinen Schlüssel.«
    »Junge, Junge.« Vor sich hin brummelnd ging Ben drei kaputte Betonstufen hoch, zog seine Brieftasche heraus und entnahm ihr eine Kreditkarte. Das erbärmliche Schloß gab augenblicklich nach. »Ich habe das Gefühl, daß ich dich über die Schwelle tragen sollte.«
    »Kauf dir selbst ein Haus.«
    Die Eingangshalle war voll von Spinnweben und
    Exkrementen diverser Nagetiere. Die Tapete war zu Grau verblichen. Ein fetter gepanzerter Käfer kroch langsam darüber. »Und wann kommt Vincent Price die Treppe herunter?«
    Ed blickte sich um und sah den Rohbau eines Schlosses.
    »Man muß das Ganze nur gründlich saubermachen.«
    »Und einen Kammerjäger kommen lassen. Gibt es hier

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