Verlorene Seelen
mir. Die Küche werde ich zuerst in Angriff nehmen.«
Ben starrte auf das jämmerliche Fleckchen Rasen hinaus.
»Dampf«, sagte er. »Das ist die beste Methode, um diese alte Tapete abzubekommen.«
»Dampf?«
»Genau.« Ben zog eine Zigarette aus der Tasche und grinste. »Davon wirst du allerdings eine ganze Menge brauchen. Ich war mal mit einer Frau liiert, die in einem Farbengeschäft gearbeitet hat. Marli … ja, ich glaube, Marli hieß sie. Wahrscheinlich würde ich bei ihr immer noch Rabatt bekommen.«
»Warst du schon mal mit einer Frau liiert, die im Holzhandel arbeitet?«
»Muß mal drüber nachdenken. Na komm, ich muß
jemanden anrufen.«
289
Nachdem sie ein paar Meilen gefahren waren, hielten sie an einer Telefonzelle an. Ben kramte einen Vierteldollar aus der Tasche und wählte Tess’ Büronummer.
»Praxis Dr. Court.«
»Detective Paris.«
»Ja, Detective, einen Moment bitte.«
Ein Klicken war zu hören, dann war alles still, dann klickte es noch einmal. »Ben?«
»Wie geht’s dir, Frau Doktor?«
»Bestens.« Während sie sprach, räumte sie ihren Schreibtisch auf. »Ich wollte gerade aufbrechen, um in die Klinik zu fahren.«
»Wann bist du da fertig?«
»Gewöhnlich um fünf Uhr dreißig, manchmal auch erst um sechs.«
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und stellte sein Programm um. »Prima. Dann hole ich dich ab.«
»Aber du mußt doch nicht …«
»Doch, muß ich. Wer sitzt dir heute auf der Pelle?«
»Wie bitte?«
»Ich meine, wer bewacht heute die Praxis«, erklärte Ben, während er versuchte, eine Ecke der Telefonzelle zu finden, wo der Wind nicht hinkam.
»Ach so. Sergeant Billings.«
»Gut.« Er wölbte die Hände über ein Streichholz, um sich eine Zigarette anzuzünden, und ärgerte sich maßlos, daß er seine Handschuhe vergessen hatte. »Laß dich von Billings zur Klinik fahren.«
Obwohl sie zunächst nichts sagte, konnte er ihren Zorn förmlich hören und war versucht, darüber zu lächeln. »Ich sehe keinen Grund, warum ich nicht selbst in die Klinik 290
fahren kann, wie ich es in den letzten Jahren jede Woche gemacht habe.«
»Den brauchst du auch nicht zu sehen, Tess. Dafür sehe ich ihn. Bis um sechs dann.«
Als er auflegte, wußte er, daß sie den Hörer in der Hand behalten und ihren Zorn zügeln würde, bis sie es fertigbrachte, ruhig und gelassen aufzulegen. Zu etwas so Kindischem wie den Hörer auf die Gabel zu knallen, würde sie sich nicht hinreißen lassen.
Er hatte recht. Tess zählte langsam von fünf bis null. Dann legte sie ruhig und gelassen den Hörer auf. Unmittelbar darauf meldete Kate sich erneut.
»Ja?« Es bereitete ihr Mühe, nicht barsch zu klingen.
»Noch ein Anruf für Sie, auf Leitung zwei. Seinen Namen will er nicht nennen.«
»In Ordnung, ich …« Ihr Magen krampfte sich
zusammen, als ihr klar wurde, wer der Anrufer war.
»Stellen Sie das Gespräch durch, Kate.«
Sie starrte auf die blinkende Taste. Ohne daß ihr Finger gezittert hätte, drückte sie darauf. »Hier Dr. Court.«
»Ich habe Sie in der Kirche gesehen. Sie sind
gekommen.«
»Ja.« Die Instruktionen, die man ihr gegeben hatte, schossen ihr durch den Kopf. Versuchen Sie ihn hinzuhalten. Wirken Sie beruhigend auf ihn ein, damit er eine Weile am Apparat bleibt. »Ich hatte gehofft, Sie dort zu sehen, damit wir unser Gespräch fortsetzen können.
Wie fühlen Sie sich?«
»Sie waren da. Jetzt werden Sie alles verstehen.«
»Was soll ich denn verstehen?«
»Daß es um große Dinge geht.« Er sprach mit ruhiger 291
Stimme. Er war zu einem Entschluß gekommen, in seinem Glauben bestärkt worden. »Die Opfer, die von uns verlangt werden, sind so klein im Vergleich zu der Belohnung, die uns für unseren Gehorsam zuteil wird. Ich bin froh, daß Sie da waren, so daß Sie alles verstehen. Ich hatte Zweifel.«
»Was für Zweifel?«
»Hinsichtlich der Mission.« Seine Stimme wurde leiser, als könne man von der Sünde des Zweifels nur im Flüsterton sprechen. »Aber jetzt habe ich keine mehr.«
»Wo ist Laura?« riskierte Tess zu fragen.
»Laura.« Sie konnte den Schmerz in seiner Stimme hören. »Laura wartet im Fegefeuer und leidet, bis ich für ihre Sünden Sühne leiste. Ich bin für sie verantwortlich.
Außer mir und der Heiligen Mutter Gottes hat sie niemanden, der für sie bittet.«
Laura war also tot. Jetzt wußte sie es mit Sicherheit.
»Sie müssen sie sehr geliebt haben.«
»Sie war der beste Teil von mir. Wir waren schon vor der Geburt
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