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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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schuldig fühlt?«
    Der Pfeil traf, wie sie gehofft hatte, ins Schwarze und setzte etwas in Gang. »Halten Sie die Klappe. Das geht Sie überhaupt nichts an.«
    »Hat Ihr Mann Ihnen diese Blumen mitgebracht? Die sind wunderschön.«
    Erneut betrachtete Lydia die Blumen, die in ihr den Wunsch hervorriefen, in Tränen auszubrechen, um die Bitterkeit und das Gefühl, versagt zu haben, loszuwerden, Empfindungen, mit denen sie sich schützend umgab. Sie nahm die Vase in die Hand und schleuderte sie mitsamt den Blumen gegen die Wand.
    Ben, den man gebeten hatte, draußen im Korridor zu warten, hörte den Knall. Im Nu war er vom Stuhl hoch und eilte auf die offene Tür zu, wurde jedoch von einer Krankenschwester zurückgehalten.
    »Tut mir leid, Sir, aber da können Sie nicht rein.
    Dr. Court behandelt gerade eine Patientin.« Sie versperrte ihm den Weg und ging selbst zur Tür.
    »Oh, Mrs. Rydel«, hörte er Tess ruhig und gelassen sagen.
    »Würden Sie bitte eine Kehrichtschaufel und einen Mop bringen, damit Mrs. Woods das hier aufwischen kann?«
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    »Das werde ich nicht tun!« schrie Lydia. »Das ist mein Zimmer, und ich werde gar nichts aufwischen.«
    »Dann sollten Sie aufpassen, wo Sie hintreten, damit Sie sich nicht an den Glasscherben verletzen.«
    »Ich hasse Sie.« Als Tess keine Reaktion zeigte, schrie Lydia noch lauter: »Ich hasse Sie! Haben Sie gehört?«
    »Ja, ich kann Sie sehr gut hören. Aber ich frage mich, ob Sie mich anschreien, Lydia, oder sich selbst.«
    »Für wen, zum Teufel, halten Sie sich eigentlich?« Wie ein Preßlufthammer ging ihre Hand auf und ab, um die Zigarette auszudrücken. »Woche für Woche kommen Sie in Ihren schicken teuren Kostümen hier rein und warten in Ihrer selbstgefälligen Art darauf, daß ich meine Seele vor Ihnen entblöße. Aber das werde ich nicht tun. Meinen Sie, ich will mich mit einer frigiden Jungfer unterhalten, die ihr Leben von A bis Z durchgeplant hat? Mit einer Miß Perfekte Gesellschaft, die zum Zeitvertreib Bekloppte behandelt und sie vergißt, sobald sie wieder in ihrem gepflegten Zuhause ist.«
    »Ich vergesse meine Patienten keineswegs, Lydia.«
    Obwohl Tess im Gegensatz zu Lydia leise sprach, konnte Ben sie im Korridor hören.
    »Sie kotzen mich an.« Lydia erhob sich vom Bett, zum erstenmal an diesem Tag. »Ich kann Sie nicht mehr sehen, mit Ihren italienischen Schuhen, Ihren kleinen goldenen Anstecknadeln und Ihrer keimfreien Perfektion.«
    »Ich bin nicht perfekt, Lydia, das ist keiner von uns. Das muß auch keiner von uns sein, um geliebt und respektiert zu werden.«
    Die Tränen begannen zu fließen, doch Tess stand nicht auf, um Trost zu spenden. Der Zeitpunkt war noch nicht gekommen. »Was wissen Sie denn von Fehlern, die man 299
    macht? Was zum Teufel wissen Sie denn von meiner früheren Lebensweise? Verdammt noch mal, bei mir hat alles wie am Schnürchen geklappt. Dafür habe ich gesorgt.«
    »Stimmt, das haben Sie. Aber nichts klappt für immer, wenn man sich weigert, Unzulänglichkeiten in Kauf zu nehmen.«
    »Ich war genauso tüchtig wie Sie. Ich war sogar noch besser. Ich hatte Kleidung wie Sie und ein Zuhause wie Sie. Ich hasse Sie, weil Sie hierherkommen und mich daran erinnern. Verschwinden Sie! Verschwinden Sie und lassen Sie mich in Ruhe.«
    »Na schön.« Tess stand auf und nahm die Akte an sich.
    »Nächste Woche komme ich wieder. Wenn Sie wollen, kann ich auch vorher kommen.« Sie ging zur Tür und drehte sich noch einmal um. »Sie haben immer noch ein Zuhause, Lydia.« Die Schwester stand mit
    Kehrichtschaufel und Mop in der Tür. Tess nahm sie ihr ab und lehnte sie gegen die Wand des Zimmers.
    »Ich werde veranlassen, daß man Ihnen eine neue Vase für die Blumen bringt.«
    Tess trat zur Tür hinaus und schloß einen Moment die Augen. Solch eine heftige Abneigung war nie leicht zu verkraften, selbst wenn sie krankheitsbedingt war und nicht aus dem Herzen kam.
    »Frau Doktor?«
    Tess riß sich zusammen und öffnete die Augen, wenige Schritte vor ihr stand Ben. »Du bist früher gekommen.«
    »Ja.« Er trat zu ihr und schlang die Hand um ihren Arm.
    »Was, zum Teufel, machst du an solch einem Ort?«
    »Ich mache meinen Job. Warte bitte einen Moment. Ich muß noch etwas in die Akte eintragen.« Sie ging zum 300
    Schwesternzimmer, warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und begann zu schreiben.
    Ben beobachtete sie. Im Moment schien die
    unangenehme kleine Szene, deren Zeuge er geworden war, sie völlig unberührt zu lassen. Während sie

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