Verlorene Seelen
pfeifend Atem und versuchte es erneut. »Der Dreckskerl hat mir die Eier in den Bauch getreten.«
»Das tut mir wirklich leid, Ben.« Mullendore nahm ein Taschentuch heraus und wickelte es um die Bißwunde.
»Jetzt sieht er allerdings ganz friedlich aus.«
Ächzend setzte Ben sich auf den Fußboden und lehnte sich gegen die Wand. »Buchte ihn um Gottes willen ein, bevor er wieder zu sich kommt.«
Während Mullendore den bewußtlosen Gefangenen
hochhievte, saß Ben da. Das kalte, mit Kaffee vermischte Aufwischwasser war an Knien und Schenkeln durch seine Jeans gedrungen und hatte sein Hemd bespritzt. Selbst als 307
es durch seinen Hosenboden drang, blieb er sitzen und überlegte, warum das Knie, das sein bestes Stück getroffen hatte, so knochig gewesen war.
Während der Hausmeister den Gang hinunterging, um, neues Seifenwasser zu holen, klapperte er mit dem im Eimer steckenden Mop. »Ich werde mit dem
Vertrauensmann meiner Gewerkschaft sprechen. Ich war mit dem Fußboden fast schon fertig.«
»Pech.« Ben blickte kurz zu ihm hoch, während der Schmerz zwischen seinen Beinen bis ins Gehirn zuckte.
»Mach dir keine Sorgen, Paris.« Lowenstein lehnte am Türpfosten und achtete sorgsam darauf, nicht in das Rinnsal zu treten. »Aller Wahrscheinlichkeit nach bist du immer noch ein Hengst.«
»Leck mich am Arsch.«
»Schätzchen, du weißt doch, wie eifersüchtig mein Mann ist.«
Tess kauerte sich neben ihn und gab einige mitfühlende Worte von sich. Mit sanfter Hand tätschelte sie ihm die Wange, doch ihre Augen funkelten amüsiert. »Bist du okay?«
»Oh, mir geht’s großartig. Ich mag es, den Kaffee durch die Haut aufzunehmen.«
»Der bürokratische Teil deines Jobs, richtig?«
»Ja, richtig.«
»Möchtest du aufstehen?«
»Nein.« Er widerstand der Versuchung, die Hand zwischen die Beine zu stecken, um festzustellen, ob noch alles da war.
Sie preßte die Hand gegen den Mund, schaffte es aber nur halb, ein Lachen zu unterdrücken. Der Blick, den er ihr mit zusammengekniffenen Augen zuwarf, machte alles 308
nur noch schlimmer. »Du kannst nicht den ganzen Tag hier sitzen«, stieß sie schließlich mit erstickter Stimme hervor. »Du sitzt in einer Pfütze, und du riechst wie der Fußboden eines Cafés, der am Wochenende nicht gewischt worden ist.«
»Toll, wie du mit Kranken umgehst, Frau Doktor.« Er ergriff ihren Arm, während sie immer noch gegen das Lachen ankämpfte, das sie zu übermannen drohte. »Ich brauche nur mal kurz zu ziehen, dann sitzt du hier neben mir.«
»Das würde dir nur Schuldgefühle einbringen, ganz zu schweigen von der Rechnung für die Reinigung.«
Ed kam im Mantel den Gang entlang. Während er die schlimmsten Pfützen umging, kratzte er den Rest seines Frühstücksjoghurts aus dem Becher. Er leckte den Löffel ab und blieb vor seinem Partner stehen. »Morgen, Dr. Court.«
»Guten Morgen.« Immer noch das Lachen
unterdrückend, erhob sie sich.
»Schönes Wetter heute.«
»Ja, obwohl es ein bißchen kalt ist.«
»Laut Wettervorhersage soll es heute nachmittag wärmer werden.«
»Ihr zwei seid zum Schreien komisch«, sagte Ben.
»Wirklich zum Schreien komisch.«
Tess räusperte sich. »Ben … Ben ist ein kleines Mißgeschick passiert.«
Ed zog die buschigen Augenbrauen hoch, während er das Rinnsal im Gang betrachtete.
»Verkneif dir jede Bemerkung. Auf deinen
Pennälerhumor kann ich verzichten«, warnte ihn Ben.
»Pennälerhumor.« Genüßlich ließ Ed sich das Wort auf 309
der Zunge zergehen. Er reichte Tess seinen leeren Joghurtbecher, dann packte er Ben unter den Achselhöhlen und zog seinen Partner mühelos hoch. »Deine Hose ist naß.«
»Ich habe einen Gefangenen überwältigt.«
»Tatsächlich? Na ja, so was kann schon mal passieren bei all dem Streß und der Aufregung.«
»Ich gehe zu meinem Spind«, murmelte er.
»Vergewissere dich, daß die Frau Doktor bei ihrem Lachanfall keinen Schaden genommen hat.« Ein wenig breitbeinig stakste er den Gang hinunter.
Ed nahm Tess den leeren Becher und den Plastiklöffel ab. »Wollen Sie einen Kaffee?«
»Nein«, stieß sie prustend hervor. »Nein, ich glaube, von Kaffee habe ich erst mal genug.«
»Warten Sie einen Moment, dann bringe ich sie zu Captain Harris.«
Sie versammelten sich im Konferenzzimmer. Obwohl die Heizung ein vielversprechendes Summen von sich gab, war der Fußboden eiskalt. Wie in jedem Jahr hatte Harris es nicht durchsetzen können, daß ein Teppichboden bewilligt wurde.
Die
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