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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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mußte. Ihr Mund war weich und feucht, was ihn an andere Dinge denken ließ. Ihre Haut war blaß, mit einem leichten rosenfarbenen Schimmer. Doch es waren ihre Augen, die ihn die naßforsche Bemerkung, die er schon auf der Zunge gehabt hatte, vergessen ließen. Sie waren groß und blickten kühl und ein klein wenig verärgert drein. Und sie waren violett.
    Bisher hatte er angenommen, diese Farbe sei für Elizabeth Taylor und wilde Blumen reserviert.
    »Entschuldigung«, stieß Tess hervor, als sie wieder zu Atem gekommen war. »Ich habe Sie nicht gesehen.«
    »Natürlich nicht.« Er hätte sie am liebsten noch weiter angestarrt, riß sich aber zusammen. Sein Ruf als Frauenheld war legendär, was zwar übertrieben war, gleichwohl auf Tatsachen beruhte. »Ist ja kein Wunder, so schnell, wie Sie gerannt sind.« Es war angenehm, sie so festzuhalten und die an ihren Wimpern haftenden Regentropfen zu betrachten. »Ich könnte Sie jetzt verhaften, weil Sie einen Polizeibeamten angegriffen haben.«
    »Die Dame wird naß«, murmelte Ed.
    Bisher hatte Tess nur den Mann bemerkt, der sie festhielt und sie anstarrte, als hätte sie sich in einer Rauchwolke materialisiert. Jetzt blickte sie zur Seite, dann nach oben, und sah einen nassen Riesen mit lachenden blauen Augen und triefender roter Haarmähne vor sich. War dies ein Polizeirevier, oder war sie in ein Märchen geraten?
    Ohne ihren Arm loszulassen, öffnete Ben die
    Eingangstür. Er ließ sie herein, aber er würde sie nicht entwischen lassen. Jedenfalls noch nicht.
    Als sie im Gebäude waren, warf Tess einen weiteren Blick auf Ed und kam zu dem Schluß, daß es ihn wirklich gab. Dann wandte sie sich Ben zu. Ihn ebenfalls. Und er 29
    hielt immer noch ihren Arm fest. Amüsiert zog sie eine Augenbraue hoch. »Ich muß Sie darauf hinweisen, daß ich eine Beschwerde wegen Mißhandlung durch die Polizei einreichen werde, falls Sie mich wegen Angriffs auf einen Polizisten verhaften.« Als er lächelte, machte etwas bei ihr klick. Er war also doch nicht so harmlos, wie sie angenommen hatte. »Wenn Sie mich jetzt bitte
    entschuldigen würden …«
    »Lassen wir das doch.« Ben hielt immer noch ihren Arm fest. »Wenn es wegen eines Strafzettels irgend etwas in Ordnung zu bringen gibt …«
    »Sergeant …«
    »Detective«, verbessert er. »Ben.«
    »Darauf komme ich vielleicht ein andermal zurück, Detective, aber im Moment habe ich es sehr eilig. Wenn Sie mir wirklich helfen wollen …«
    »Das ist meine Pflicht als Beamter.«
    »Dann lassen Sie bitte meinen Arm los und sagen Sie mir, wo ich Captain Harris finde.«
    »Captain Harris? Von der Mordkommission?«
    Sie sah die Überraschung und den Argwohn in seinem Gesicht und merkte, wie er ihren Arm freigab. Seine Reaktion weckte ihre Neugier. Sie warf den Kopf zurück und nahm ihren Hut ab, so daß sich ihr hellblondes Haar über ihre Schultern ergoß. »Genau.«
    Bens Blick glitt über ihre Haarmähne, bevor er ihr wieder ins Gesicht sah. Das paßt nicht zusammen, dachte er verblüfft. Er vermutete Dinge, die einfach nicht paßten.
    »Dr. Court?«
    Es kostet immer Mühe, Unhöflichkeit und Zynismus mit Würde zu begegnen. Diese Mühe machte Tess sich nicht.
    »Schon wieder ins Schwarze getroffen, Detective.«
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    »Sie sind Seelenklempnerin?«
    Sie wich keinem seiner Blicke aus. »Sie sind Bulle?«
    Vielleicht hätte jeder von ihnen die Grenze der Höflichkeit noch weiter hinter sich gelassen, wenn Ed nicht in Lachen ausgebrochen wäre. »Ende der ersten Runde«, sagte er fröhlich. »Harris’ Büro ist die neutrale Ecke.« Dann nahm er Tess selbst beim Arm und zeigte ihr den Weg.
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    2
    Flankiert von den beiden Männern, ging Tess die Korridore entlang. Ab und zu bellte irgendwo eine Stimme, oder eine Tür wurde geöffnet und schlug mit dumpfem Knall zu. Aus allen Richtungen kam das Klingeln von Telefonen, doch es schien nie jemand ranzugehen. Regen schlug gegen die Fensterscheiben, was auch nicht gerade erheiternd wirkte. Ein Mann in Hemdsärmeln und Overall wischte irgendeine Pfütze auf.
    Der Korridor roch stark nach Lysol und Feuchtigkeit.
    Sie war nicht zum erstenmal auf einem Polizeirevier, aber es war das erste Mal, daß sie sich fast eingeschüchtert fühlte. Ohne Ben zu beachten, konzentrierte sie sich auf seinen Partner.
    »Treten Sie beide immer als Paar auf?«
    Ed grinste freundlich. Ihm gefiel ihre Stimme, weil sie dunkel war und so kühl wie Fruchteis an einem heißen Sonntagnachmittag. »Der Captain will es so,

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