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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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nennt. Sie wollen ein Sachverständigengutachten über seine Motive und über die Art und Weise, wie er tötet. Ich soll Ihnen erklären, wie er denkt, wie er fühlt. Aufgrund der Tatsachen, die ich schon kenne, und derjenigen, die Sie mir noch mitteilen, werde ich in der Lage sein, mir eine Meinung zu bilden …
    eine Meinung«, betonte sie, »darüber, wie er
    psychologisch beschaffen ist und warum er so ist. Damit kommen Sie seiner Ergreifung vielleicht einen Schritt näher.«
    Sie versprach also keine Wunder, was Harris
    einigermaßen beruhigte. Aus den Augenwinkeln sah er, daß Ben sie unablässig beobachtete und dabei mit dem Finger über ihren Regenmantel strich. »Setzen Sie sich, Paris«, forderte er ihn auf. »Hat der Bürgermeister Ihnen schon Einzelheiten mitgeteilt?« fragte er die Psychiaterin.
    »Ein paar. Einen Teil der Unterlagen habe ich mir gestern abend angesehen.«
    »Diese Berichte hier müssen Sie ebenfalls lesen.« Harris nahm einen Schnellhefter vom Schreibtisch und reichte ihn ihr.
    »Danke.« Tess zog eine Brille mit Schildpattfassung aus der Handtasche und öffnete den Ordner.
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    Eine Seelenklempnerin, dachte Ben, während er ihr Profil studierte. Eigentlich sah sie eher wie eine Cheerleaderin bei einer Sportveranstaltung der Universität aus. Oder wie jemand, der sich ins Mayflower setzt und Cognac trinkt. Er wußte zwar nicht so recht, warum beide Bilder zu ihr zu passen schienen, aber sie taten es. Was nicht paßte, war das Bild, das er von einem Psychiater hatte. Psychiater waren groß und dürr und bleich und hatten einen ruhigen Blick, ruhige Stimmen, ruhige Hände.
    Er erinnerte sich an den Psychiater, den sein Bruder drei Jahre lang aufgesucht hatte, nachdem er aus Vietnam zurückgekommen war. Als Josh in den Krieg zog, war er ein junger Idealist mit frischem Gesicht gewesen.
    Zurückgekehrt war ein gehetzter, aggressiver Mensch. Der Psychiater hatte ihm geholfen. Zumindest hatte es so geschienen, und alle hatten es gesagt, auch Josh. Bis er seinen Armeerevolver genommen und sich um alle Chancen gebracht hatte, die er noch gehabt haben mochte.
    Der Psychiater hatte von verzögertem Streßsyndrom gesprochen. Erst da war Ben klargeworden, wie sehr er Etikettierungen haßte.
    Roderick brachte den Kaffee herein und schaffte es, nicht verärgert auszusehen, weil er den Laufburschen spielen mußte.
    »Haben Sie schon Dors und seine Verlobte
    vernommen?« fragte ihn Harris.
    »Ich wollte gerade losziehen.«
    »Paris und Jackson werden Sie, Lowenstein und Bigsby morgen früh nach dem Anwesenheitsappell instruieren.«
    Mit einem Kopfnicken entließ er ihn, während er drei Teelöffel Zucker in seinen Kaffee schaufelte. Als Ed das sah, zuckte er zusammen.
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    Tess nahm ihre Tasse entgegen, indem sie, ohne aufzublicken, etwas vor sich hin murmelte. »Muß man annehmen, daß der Mörder überdurchschnittlich stark ist?«
    Ben nahm eine Zigarette heraus, die er eingehend betrachtete. »Wieso das?«
    Tess zog sich die Brille bis zur Nasenspitze herunter, ein Trick, den sie einem ihrer Collegeprofessoren abgeguckt hatte und der andere aus der Fassung bringen sollte.
    »Abgesehen von den Strangulationsmalen gab es keine Quetschungen, keine Zeichen von Gewaltanwendung, keine zerrissene Kleidung und auch sonst nichts, was auf einen Kampf schließen läßt.«
    Ohne Notiz von seinem Kaffee zu nehmen, zog Ben an seiner Zigarette. »Keines der Opfer war besonders kräftig gebaut. Barbara Clayton, die einsdreiundsechzig groß war und hundertzwanzig Pfund wog, war die größte und schwerste von allen.«
    »Wenn ein Mensch Angst hat, kann er gewaltige Kräfte entwickeln«, konterte sie. »Ihren Berichten zufolge nehmen Sie an, daß er sie von hinten überrumpelt und überfällt.«
    »Das schließen wir aus dem Winkel und der Position der Quetschungen.«
    »Verstehe«, sagte sie forsch und schob sich die Brille wieder hoch. Es war nicht leicht, einen Holzkopf aus der Fassung zu bringen. »Keines der Opfer war in der Lage, ihm das Gesicht zu zerkratzen, denn sonst hätte man Haut-oder Fleischspuren unter ihren Nägeln gefunden. Sehe ich das richtig?« Bevor er antworten konnte, wandte sie sich demonstrativ an Ed. »Er ist also gerissen genug, um verdächtige Spuren zu vermeiden. Offensichtlich tötet er nicht sporadisch, sondern plant alles auf zielstrebige, ja 37
    logische Weise. Ihre Kleidung«, fuhr sie fort. »War sie irgendwie in Unordnung, waren Knöpfe auf, Nähte gerissen, hatten sie ihre Schuhe

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