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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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ein Packen psychiatrischer Mutmaßungen alles ist, was wir haben.«
    »Ich akzeptiere es, daß Dr.
    Court mit uns
    zusammenarbeitet, weil vier Frauen ermordet worden sind.« Das Brennen in seinem Magen hielt Harris davon ab, die Stimme zu erheben. »Und jeder meiner Leute muß in Topform sein. Reißen Sie sich zusammen, Ben, sonst sind Sie derjenige, der aus der Sache aussteigt.«
    Tess nahm ihre Papiere an sich und schlüpfte leise aus dem Zimmer. Keine zehn Sekunden später kam Ed ihr nach. »Möchten Sie ein bißchen an die frische Luft gehen?« fragte er, als er sie wie ein Häufchen Elend im Gang stehen sah.
    »Ja. Danke.«
    Er nahm sie auf eine Weise beim Ellenbogen, über die sie normalerweise gelächelt hätte. Als er die Tür öffnete, schlug ihnen der heftige Novemberwind ins Gesicht. Der Himmel war von hartem, kaltem Blau, das von keiner einziger Wolke gemildert wurde. Beiden fiel ein, daß August gewesen war, ein heißer, schwüler August, als alles angefangen hatte. Ed wartete, während Tess sich den Mantel zuknöpfte.
    »Ich glaube, zum Erntedankfest könnte es Schnee geben«, meinte er im Plauderton.
    »Denke ich auch.« Sie faßte in die Tasche und holte ihre Handschuhe heraus, spielte jedoch, statt sie anzuziehen, nur damit herum.
    »Mir tun immer die Truthähne leid.«
    »Wie?«
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    »Die Truthähne«, wiederholte Ed. »Sie wissen doch, Erntedankfest. Ich glaube nicht, daß sie sich sehr darüber freuen, eine Tradition zu sein.«
    »Nein.« Sie stellte fest, daß sie trotz allem lächeln konnte. »Nein, vermutlich nicht.«
    »Solch eine intensive Beziehung wie zu Ihnen hat er noch nie gehabt.«
    Tess stieß einen tiefen Seufzer aus und wünschte, eine Lösung finden zu können. Sie war immer imstande gewesen, eine Lösung zu finden. »Das macht die Sache nur noch komplizierter.«
    »Ich kenne Ben schon lange.« Ed holte eine Erdnuß aus der Tasche, knackte die Schale und bot Tess den Kern an.
    Als sie den Kopf schüttelte, warf er ihn sich in den Mund.
    »Er ist ziemlich leicht zu durchschauen, wenn man weiß, auf welche Weise man hinsehen muß. Im Moment hat er Angst. Er hat Angst vor Ihnen und Angst um Sie.«
    Tess blickte auf den Parkplatz. Einer der Polizisten würde später nicht sehr erbaut sein, da ein Auto vorn rechts einen Platten hatte. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich kann vor dieser Sache nicht davonlaufen, obwohl ich im tiefsten Innern entsetzliche Angst habe.«
    »Vor den Anrufen oder vor Ben?«
    »Ich glaube allmählich, daß Sie meinen Beruf ausüben sollten«, murmelte sie.
    »Wenn man lange genug Polizist ist, versteht man von allem ein kleines bißchen.«
    »Ich bin in ihn verliebt«, sagte sie langsam, wie zur Probe. Als die Worte heraus waren, holte sie zittrig Luft.
    »Das wäre schon unter gewöhnlichen Umständen
    problematisch genug, aber jetzt … Ich kann nicht tun, was er will.«
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    »Das weiß er. Deswegen hat er ja Angst. Er ist ein guter Polizist. Solange er auf Sie aufpaßt, wird Ihnen nichts passieren.«
    »Darauf verlasse ich mich auch. Er hat ein Problem damit, wie ich mir meinen Lebensunterhalt verdiene.« Sie drehte sich zur Seite und sah ihn an. »Sie wissen darüber Bescheid. Sie wissen, warum.«
    »Wollen mal sagen, ich weiß genug, um sagen zu können, daß er seine Gründe hat, und wenn er soweit ist, wird er sie Ihnen mitteilen.«
    Sie musterte sein breites, vom Wind gerötetes Gesicht.
    »Er hat Glück, daß er Sie hat.«
    »Das sage ich ihm auch immer.«
    »Beugen Sie sich doch mal kurz herunter.« Als er gehorchte, hauchte sie ihm einen Kuß auf die Wange.
    »Danke.«
    Er wurde noch ein wenig röter im Gesicht. »Nichts zu danken.«
    Ben beobachtete sie einen Moment durch die Glastür, bevor er nach draußen ging. Den größten Teil seines Zorns hatte er an Harris ausgelassen. Zurückgeblieben war nur ein dumpfer Schmerz in der Magengegend. Er verstand genug von Angst, um sie erkennen zu können.
    »Wilderst du in meinem Territorium?« fragte er in sanftem Ton.
    »Wenn du dumm genug bist, es unbewacht zu lassen.«
    Ed lächelte zu Tess hinunter und reichte ihr ein paar Erdnüsse. »Passen Sie gut auf sich auf.«
    Ohne etwas zu erwidern, klapperte Tess mit den Nüssen in ihrer Hand, während Ed im Gebäude verschwand.
    Ben stand mit offener Jacke neben ihr und blickte ebenso wie sie auf den Parkplatz. Der Wind trieb eine kleine 318
    braune Tüte über den Asphalt. »Ich habe einen Nachbarn, der sich eine Weile um meine Katze kümmern wird.«

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