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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Als Tess nicht reagierte, wurde er deutlicher. »Ich möchte zu dir ziehen.«
    Sie starrte unverwandt auf den platten Reifen. »Noch mehr Polizeischutz?«
    »So ist es.« Und noch mehr, viel, viel mehr. Er wollte Tag und Nacht bei ihr sein. Er konnte nicht sagen – noch nicht –, daß er mit ihr zusammenleben wollte, da er noch nie mit einer Frau zusammengelebt hatte. Diese Art von Bindung hatte ihm immer zu sehr nach etwas Dauerhaftem geschmeckt, zu dem er einfach noch nicht bereit war.
    Tess betrachtete die Erdnüsse in ihrer Hand, bevor sie sie in die Tasche gleiten ließ. Wie Ed gesagt hatte, war er leicht genug zu durchschauen, wenn man wußte, auf welche Weise man hinsehen mußte. »Ich gebe dir einen Wohnungsschlüssel, aber ich mache kein Frühstück.«
    »Wie ist es mit Abendessen?«
    »Ab und an.«
    »Hört sich akzeptabel an. Tess?«
    »Ja?«
    »Wenn ich dir sagen würde, du sollst wegfahren, weil
    …« Er machte eine Pause und legte ihr die Hände auf die Schultern. »… weil ich es nicht ertragen könnte, wenn dir etwas zustieße, würdest du dann wegfahren?«
    »Würdest du mitkommen?«
    »Das geht nicht. Du weißt doch, daß ich …« Er
    verstummte und rang mit seiner Frustration, während sie zu ihm hochblickte. »Na schön. Wie dumm von mir, mit jemandem zu diskutieren, der mit Gehirnzellen Pingpong spielt. Aber du wirst genau das tun, was man dir sagt.«
    »Es liegt in meinem ganz persönlichen Interesse, diesen 319
    Fall für dich leichter zu machen, Ben. Bis alles vorüber ist, werde ich tun, was man mir sagt.«
    »Das wird dann wohl reichen müssen.« Er trat zurück, nur ein kleines Stück, aber das reichte aus, um ihr klarzumachen, daß jetzt der Polizist und nicht der Mann vor ihr stand. »Zwei Uniformierte werden dir folgen, wenn du in die Praxis fährst. Wir haben veranlaßt, daß der Sicherheitsbeamte in der Eingangshalle Urlaub macht, und haben ihn bereits durch einen unserer Beamten ersetzt. In deinem Wartezimmer werden sich drei unserer Leute gegenseitig abwechseln. Sooft es nur geht, werde ich dich abholen und dich nach Hause fahren. Wenn es nicht geht, werden die Uniformierten dir folgen. Wir benutzen ein leeres Apartment im dritten Stock als Operationsbasis, aber sobald du zu Hause bist, bleibt deine Tür verschlossen. Wenn du aus irgendeinem Grund das Haus verlassen mußt, meldest du dich und wartest, bis alles geklärt ist.«
    »Hört sich sehr gründlich an.«
    Er dachte an die vier Fotografien am Korkbrett.
    »Ja. Wenn irgend etwas passiert, ganz gleich, was es ist
    – sei es, daß dir jemand an einer Ampel die Vorfahrt nimmt, sei es, daß dich auf der Straße jemand anhält, um nach dem Weg zu fragen –, will ich es erfahren.«
    »Ben, niemand ist daran schuld, daß die Dinge diese Wendung genommen haben. Du nicht, Harris nicht, ich nicht. Wir müssen die Sache jetzt durchziehen.«
    »Genau das habe ich vor. Hier sind die Uniformierten.
    Du solltest dich auf den Weg machen.«
    »In Ordnung.« Sie ging die erste Stufe hinunter, blieb stehen und drehte sich um. »Vermutlich wäre es unschicklich, wenn du mich hier küssen würdest, da du im Dienst bist.«
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    »Genau.« Er beugte sich zu ihr herab und nahm ihr Gesicht in die Hände, eine Geste, bei der sie immer weiche Knie bekam. Mit offenen Augen näherte er seinen Mund ihren Lippen, die zwar kalt, aber auch weich und voll waren. Mit ihrer freien Hand packte sie ihn an der Jacke, sei es, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, sei es, um den Moment der Trennung noch ein wenig
    hinauszuzögern. Fasziniert sah er zu, wie ihre Wimpern flatterten und sich schließlich langsam senkten.
    »Kannst du dir etwa acht Stunden lang merken, wo du aufgehört hast?« murmelte Tess.
    »Ich werd’s mir notieren.« Ohne ihre Hand loszulassen, trat er ein Stück zurück. »Fahr vorsichtig. Wir wollen schließlich nicht, daß die Uniformierten in Versuchung geraten, dir einen Strafzettel zu verpassen.«
    »Das müßtest du dann in Ordnung bringen.« Sie
    lächelte. »Bis heute abend.«
    Er ließ sie los. »Ich mag mein Steak halb
    durchgebraten.«
    »Ich mag meins blutig.«
    Er sah zu, wie sie ins Auto stieg und gekonnt vom Parkplatz fuhr. Die Uniformierten blieben eine Autolänge hinter ihr.
    Tess wußte, daß sie träumte, ebenso wie sie wußte, daß es handfeste Gründe für den Traum gab. Aber das hielt sie nicht davon ab, Angst zu haben.
    Sie rannte. Die Muskeln in ihrer rechten Wade waren vor Anstrengung schon ganz verkrampft. Vor

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