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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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»Wonach riecht denn ein Psychiater? Oder sollte ich das wissen?«
    »Nach Pfefferminz und Englisch Leder Aftershave.«
    Sie drehte sich um und sah ihn an. »Das ist aber sehr spezifisch.«
    »Ja. Dein Haar ist unter die Jacke geraten.«
    Er schob die Hand unter ihren Kragen und zog es heraus.
    Dabei machte er fast mechanisch einen Schritt nach vorn und drückte sie gegen die Tür des Wandschranks. Sie schaute zu ihm hoch. In ihrem Blick lag wieder jene Wachsamkeit, die ihm schon bei anderen Gelegenheiten 141
    aufgefallen war. Sie trug wenig Make-up, und an die Stelle des eleganten, strengen Aussehens, das so sehr zu ihrem Image gehörte, war etwas anderes getreten. Jetzt wirkte sie warm und zugänglich, was ein kluger Mann als gefährlich erkennen würde. Er wußte, was er wollte, so daß ihn das Verlangen, das ihn befiel, in keiner Weise beunruhigte. Das Ausmaß dieses Verlangens war freilich eine andere Sache. Wenn man etwas zu sehr begehrt, es zu schnell haben will, dachte er, ist es besser, das Tempo zu drosseln.
    Sein Mund war dicht vor dem ihren, seine Hand noch immer in ihrem Haar. »Magst du Butter aufs Popcorn?«
    Tess wußte nicht, ob sie lachen oder fluchen sollte. Sie entschied sich für keines von beiden und kam zu dem Schluß, daß sie entspannt war. »Unmengen.«
    »Gut. Dann muß ich nicht zwei Kartons holen. Es ist kalt draußen«, fügte er hinzu, während er zurücktrat. »Du wirst Handschuhe brauchen.«
    Bevor er die Tür öffnete, zog er seine eigenen, abgetragenen schwarzen Lederhandschuhe aus der Tasche.
    »Ich hatte ganz vergessen, wie gruselig diese Filme sind.«
    Als Tess, abgefüllt mit Pizza und billigem Rotwein, wieder in Bens Auto stieg, war es bereits dunkel. Die Luft war so beißend kalt, daß ihr die Wangen weh taten – ein erster Vorbote des Winters. Doch weder die Kälte noch das Fernsehprogramm konnten die Einwohner
    Washingtons davon abhalten auszugehen. Unablässig floß der sonnabendliche Strom der Autos, deren Insassen auf dem Weg in Clubs, zum Dinner oder zu Partys waren, an ihnen vorüber.
    »Es hat mir immer gefallen, daß der Polizist am Ende von Das Kabinett des Professor Bondi das Mädchen 142
    bekommt.«
    »Vincent hätte nur einen guten Analytiker gebraucht«, sagte sie in sanftem Ton, während Ben das Radio einstellte.
    »Klar, und dann hätte er dich in den Bottich
    geschmissen, dich mit Wachs überzogen und dich in …«
    Er drehte den Kopf zur Seite, um sie mit
    zusammengekniffenen Augen zu betrachten. »… die schöne Helena verwandelt, würde ich sagen.«
    »Nicht schlecht.« Sie schürzte die Lippen. »Natürlich würden manche Psychiater jetzt sagen, daß du deswegen darauf kommst, weil du dich im Unterbewußtsein mit dem trojanischen Prinzen Paris identifizierst.«
    »Als Polizist würde ich eine Entführung nicht
    romantisieren.«
    »Schade.« Sie machte die Augen halb zu, ohne daß ihr zu Bewußtsein kam, wie leicht es ihr fiel, sich zu entspannen. Das Summen der Heizung begleitete die melancholische Musik, die aus dem Autoradio kam. Sie erinnerte sich an den Liedtext und sang ihn im Kopf mit.
    »Müde?«
    »Nein, entspannt.« Kaum hatte sie das gesagt, da setzte sie sich kerzengerade hin. »Ich werde wahrscheinlich Alpträume haben. Horrorfilme sind ein wunderbares Ventil, um echte Spannungen abzulassen. Ich bin überzeugt, daß niemand im Kino an seine nächste Versicherungsrate oder an Dinge wie sauren Regen gedacht hat.«
    Er lachte glucksend, während er vom Parkplatz fuhr.
    »Weißt du, Frau Doktor, für manch einen mag das ganz einfach nur Unterhaltung sein. Ich hatte nicht den Eindruck, daß du an Sicherheitsventile gedacht hast, als du 143
    dich an meinen Arm geklammert hast, während die Heldin durch den Nebel irrte.«
    »Das muß die Frau auf der anderen Seite von dir gewesen sein.«
    »Ich saß direkt am Gang.«
    »Die hatte einen langen Arm. Zu meinem Apartment hättest du eben abbiegen müssen.«
    »Ich weiß. Hab’ ich absichtlich nicht gemacht. Du hast
    ’doch gesagt, daß du nicht müde bist.«
    »Bin ich auch nicht.« Es kam ihr vor, als hätte sie sich nie wacher und lebendiger gefühlt. Das Lied, das aus dem Radio kam und von romantischer Liebe und köstlichem Liebeskummer kündete, ging ihr unter die Haut. Sie war immer der Ansicht gewesen, daß das erste ohne das zweite irgendwie unvollständig war. »Fahren wir irgendwohin?«
    »An einen Ort, wo es gute Musik gibt und wo der Schnaps nicht verwässert ist.«
    Sie fuhr sich mit der

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