Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
einiger Zeit aufgehört zu wirken. »Aber Sie dürfen ja nichts trinken, nicht wahr? Sie sind schließlich im Dienst.«
    Er setzte die Flasche erneut an die Lippen und machte einen kräftigen Zug. »Ich bin nicht im Dienst.«
    »Wir würden Ihnen gern ein paar Fragen über Anne Reasoner stellen, Mr. Carroll.« Obwohl direkt hinter Ben ein Sessel stand, setzte er sich nicht hin.
    »Ja, hab’ mir schon gedacht, daß Sie hier aufkreuzen werden. Ich hab’ mir gesagt, wenn ich nicht vorher die Besinnung verliere, rede ich mit Ihnen.« Er betrachtete die Flasche, die knapp dreiviertel voll war. »Aber es scheint mir nicht zu gelingen, die Besinnung zu verlieren.«
    Ed nahm ihm die Flasche aus der Hand und stellte sie 187
    beiseite. »Das hilft doch nicht wirklich, nicht wahr?«
    »Irgend etwas muß aber helfen.« Er preßte die
    Handballen gegen die Augen. Dann fing er an, auf dem mit allem möglichen übersäten Couchtisch aus Rauchglas nach einer Zigarette zu suchen. Ben zündete eine für ihn an.
    »Danke.« Er machte einen tiefen Zug und behielt den größten Teil des Rauchs in der Lunge. »Vor zwei Jahren habe ich damit aufgehört«, sagte er, bevor er erneut an der Zigarette zog. »Bin aber nicht dicker geworden, weil ich keine Kohlehydrate zu mir genommen habe.«
    »Sie und Miß Reasoner hatten eine Beziehung«, fing Ben an. »Sie waren eine der letzten Personen, die mit ihr gesprochen haben.«
    »Ja. Samstagnacht. Wir wollten ins National gehen.
    Sunday in the Park with George. Anne mag Musicals. Ich selbst ziehe Theater vor, aber …«
    »Sie sind aber nicht ins Theater gegangen?«, fiel Ben ihm ins Wort.
    »Ich fühlte mich unter Druck gesetzt. Ich hab’ sie angerufen, um die Verabredung rückgängig zu machen, und hab’ gesagt, ich würde unsere Beziehung gern eine Weile auf Eis legen. So hab’ ich es ausgedrückt.« Er schaute auf und begegnete Bens Blick. »Eine Weile auf Eis legen. Das hörte sich vernünftig an, fand ich.«
    »Hatten Sie Streit miteinander?«
    »Streit?« Er lachte und verschluckte sich am Rauch.
    »Nein, wir haben uns nicht gestritten. Wir haben uns nie gestritten. Davon halte ich nichts. Es gibt für jedes Problem eine vernünftige Lösung. Das war eine
    vernünftige Lösung, und das Ganze geschah zu ihrem eigenen Besten.«
    188
    »Haben Sie sie in jener Nacht gesehen, Mr. Carroll?«
    »Nein.« Zerstreut suchte er nach der Flasche, doch Ed hatte sie so hingestellt, daß er sie nicht erreichen konnte.
    »Sie hat mich gebeten, zu ihr zu kommen, um über alles zu sprechen. Sie hat geweint. Da ich keine dieser tränenreichen Szenen erleben wollte, habe ich abgelehnt.
    Ich habe gesagt, ich hielte es für das beste, erst mal ein Weilchen abzuwarten. In ein oder zwei Wochen könnten wir dann nach Büroschluß zusammen etwas trinken gehen und in aller Ruhe über alles sprechen. In ein oder zwei Wochen.« Er blickte starr vor sich hin. Die Asche seiner Zigarette fiel auf sein Knie. »Später hat sie mich dann angerufen.«
    »Sie haben noch einmal mit ihr gesprochen?« Ed balancierte sein Notizbuch auf der Handfläche. »Wann war das?«
    »Um drei Uhr fünfunddreißig. Mein Radiowecker steht direkt neben dem Bett. Ich war wütend auf sie. Das hätte ich nicht sein sollen, aber ich war es. Sie war high. Ich merke es immer, wenn sie einen Joint geraucht hat. Sie war nicht süchtig oder so, sondern hat nur ab und zu gekifft, um sich zu entspannen, aber ich mochte es trotzdem nicht. Das ist so kindisch, wissen Sie«, fügte er hinzu. »Jedenfalls nahm ich an, sie habe es getan, um mich zu ärgern. Sie sagte, sie habe verschiedene Entschlüsse gefaßt. Sie wolle mich wissen lassen, daß sie mir keine Schuld gebe. Sie übernehme die Verantwortung für ihre Gefühle, und ich brauchte nicht zu befürchten, daß sie im Büro eine Szene machen würde.«
    Als er sich zurücklehnte und die Augen schloß, fiel ihm sein dunkelblondes Haar in die Stirn. »Das erleichterte mich, weil ich diese Befürchtung durchaus hatte. Sie sagte, sie müsse über sehr vieles nachdenken und manche 189
    ihrer Ansichten revidieren, bevor wir wieder miteinander sprechen könnten. Ich sagte, in Ordnung, und wir würden uns ja dann am Montag sehen. Als ich auflegte, war es genau drei Uhr zweiundvierzig. Das macht sieben Minuten.«
    Gil Norton hatte den Mörder irgendwann zwischen vier Uhr und vier Uhr dreißig aus der Gasse kommen sehen.
    Ed notierte sich die Zeiten und steckte sein Notizbuch wieder ein.
    »Ihnen steht

Weitere Kostenlose Bücher